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Sport: Ein Spiel zum Weinen

Paraguay siegt in einem sonst äußerst biederen Duell gegen Japan mit 5:3 nach Elfmeterschießen

Na endlich, um 18.41 Uhr hatte Oscar Cardozo ein Einsehen. Der Mann von Benfica Lissabon legte sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt von Pretoria zurecht, lief lässig an und schob ihn ganz cool in die linke Ecke. Tor, aus und vorbei. Paraguay hatte erstmals das Viertelfinale einer Weltmeisterschaft erreicht – 1986, 1998 und 2002 war das Team jeweils im Achtelfinale gescheitert. Und Japan war draußen, weil Yuichi Komano den Ball zuvor an die Latte gehämmert hatte. Damit war die Entscheidung erstmals bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika im Elfmeterschießen gefallen. Die Japaner hatten in diesem quälend langen WM-Achtelfinale 3:5 (0:0) gegen Paraguay verloren. Traurig hockten die Männer in den blauen Trikots am Mittelkreis und schauten zu, wie Paraguay über den Rasen tanzte. „Die Mannschaft hat gekämpft und wir sind überglücklich. Das war unser Tag“, sagte Trainer Gerardo Martino nach dem Spiel. „Das ganze Land weint heute vor Freude.“

Es war wahrlich kein packendes Spiel, sondern vielmehr ein Nachmittag, an dem sich die Mannschaften allergrößte Mühe gaben, den 36 742 Fans im Stadion Loftus Versfeld ihren erholsamen Nachmittagsschlaf zu gönnen. Die Japaner hatten lediglich ihren blondierten Keisuke Honda im Angriff stehen, der das zweifelhafte Vergnügen hatte, sich teilweise allein gleich mit vier Herren in den rot-weiß-gestreiften Trikots auseinanderzusetzen – ohne Erfolg. Doch auch Paraguay, trotz aller Klasse in der Offensive, tat sich schwer und fiel anfangs eigentlich nur einmal auf, als sich zwei Spieler bei einer Flanke in der Luft böse umrempelten. Erst nach 20 Minuten ergab sich die erste Torchance: Lucas Barrios, angestellt bei Borussia Dortmund, spielte mit den Kollegen prima Doppelpass, hebelte damit die Abwehr aus, drehte sich noch einmal mit dem Ball um den Gegenspieler – doch Japans Torhüter konnte Barrios’ Schuss mit dem Knie abwehren. Im Gegenzug flog ein strammer Ball von Daisuke Matsui aus 25 Metern im Bogen an die Latte. Paraguays Torhüter Justo Villar wäre ohne Chance gewesen.

Die Zuschauer waren nun kurz erwacht, und die Fußballer nahmen sich zumindest kurzzeitig vor, sie auch nicht mehr in den Tiefschlaf an diesem frischen Nachmittag zu schicken. Wolkig und windig war es, wofür sie übrigens in Südafrika die griffige Formulierung „capetowny weather“ gefunden haben – in Anlehnung an das wechselhafte Wetter in Kapstadt. Unter den Wolken Pretorias setzte erst Roque Santa Cruz, einst bei Bayern München und jetzt bei Manchester City unter Vertrag, den Ball knapp neben den Pfosten; kurz vor der Halbzeit strich dann doch noch ein harter Schuss des blonden Honda neben das Tor von Paraguay. Die „Ultras Nippon“, wie die Mitglieder des Fanklubs der japanischen Nationalelf genannt werden, hatten schon im Unterring gejubelt und auf ihre Trommeln eingeprügelt. Doch torlos ging es in die Pause.

Der Druck war den Mannschaften auch nach Wiederanpfiff anzumerken, sie hatten Angst, den einen, ja, vielleicht den einzigen Fehler zu machen und damit aus dem Turnier auszuscheiden. Daher waren feine Spielzüge Mangelware, die Spieler versuchten es mit Fernschüssen, die allerdings nicht ihr Ziel erreichten, weil sich die Beteiligten mit ihren Körpern dazwischen warfen oder die Kopfbälle gehalten werden konnten. Trotzdem wollte Trainer Takeshi Okada seiner Mannschaft „nichts vorwerfen. Die Spieler waren wundervoll. Sie können stolz sein, wie sie für Japan und ganz Asien gespielt haben.“

Wirkliche Chancen aber ergaben sich weder für Japan noch für Paraguay, beide Teams ließen sich noch einmal die Muskulatur durchkneten und mussten in die Verlängerung. Paraguay drückte in dieser ersten Halbzeit ein bisschen mehr, was aber nicht viel einrachte. So blieb dem belgischen Schiedsrichter Frank de Bleeckere schließlich nichts anderes übrig, als das Spiel abzupfeifen und auf den Elfmeterpunkt zu zeigen. Die Volunteers und Platzwarte trampelten das Gras noch einmal schön platt, alles war für die Schützen gerichtet – dann endlich, nach zwei Stunden und 41 Minuten, kam Oscar Cardozo und legte sich den Ball zurecht.

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