zum Hauptinhalt

Sport: Einbruch am letzten Anstieg

Landis verliert das Gelbe Trikot an Pereiro, Klöden liegt aussichtsreich

Floyd Landis musste sich erst einmal setzen. „Alles, woran ich jetzt denken kann, ist, dass ich ein Bier brauche“, sagte der Amerikaner, während er sich in einen Holzstuhl auf der Terrasse vor dem Chalet seiner Mannschaft im Alpenferienort La Toussuire sinken ließ. Eine halbe Stunde zuvor war der bisherige Gesamtführende der Tour nur 200 Meter entfernt mit zehn Minuten Verspätung über die Ziellinie gerollt. „Ich denke, meine Chancen die Tour zu gewinnen, sind jetzt nicht mehr besonders groß“, sagte er und lächelte dabei in einer Mischung aus Verlegenheit und Gleichmut.

So berechenbar und bisweilen langweilig in den vergangenen Jahren die Tour war, so überraschend und chaotisch ist sie in diesem Jahr. Vorgestern in L’Alpe d’Huez sah Floyd Landis noch wie ein souveräner Leader aus. Er kontrollierte das Rennen scheinbar überlegen, und Andreas Klöden sah aus wie der einzige Mann, der ihm noch Paroli bieten kann. Einen Tag später haben wieder fünf Mann die Chance auf den Gesamtsieg. Hinter dem Tagessieger Mickael Rasmussen, einem nur 59 Kilo schweren norwegischen Bergspezialisten, zogen gestern neben Klöden auch die Spanier Oscar Pereiro und Carlos Sastre sowie der Australier Cadel Evans und der Franzose Cyril Dessel dem in Schwierigkeiten geratenen Landis davon. Pereiro trägt nun das Gelbe Trikot, Klöden liegt auf dem dritten Rang in Lauerstellung. Die ersten fünf Fahrer trennen nur drei Minuten. Jeder von ihnen kann in den nächsten Tagen noch die Tour für sich entscheiden.

Landis hatte für seinen Einbruch keine Erklärung. „Ich hatte einfach einen furchtbar schlechten Tag“, sagte er. „Und das zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt.“ Schon am Morgen habe er sich elend gefühlt, sagte der Mann aus Pennsylvania, der selbst unter Radprofis für seine Leidensfähigkeit bekannt ist. „Ich habe versucht, es zu verbergen und zu überspielen, aber am letzten Anstieg ging nichts mehr.“ Mit seinem Hüftleiden, das nach der Tour operiert werden muss, so Landis, habe die Schwäche jedoch nichts zu tun gehabt.

Dem neuen Gesamtführenden Pereiro gönnte der ermattete Landis indes von ganzem Herzen das Gelbe Trikot. Schließlich hatte Landis einen großen Anteil daran, dass sein ehemaliger Mannschaftskamerad nun das Rennen anführt. Am vergangenen Samstag hatte Landis den Spanier um über eine halbe Stunde entkommen lassen, ohne ihm nachzusetzen. Von diesem Vorsprung zehrt Pereiro nun. Er könnte ihm sogar den Tour-Sieg bescheren.

Landis sowie das T-Mobile Team hatten Pereiro unterschätzt, weil dieser in den Pyrenäen auch nicht entfernt mit den Besten hatte mithalten können. „Ich glaube nicht, dass Pereiro eine Rolle spielen wird“, sagte Andreas Klöden noch vor den Alpen. Jetzt könnte es jedoch sein, dass Klöden und Pereiro gegeneinander um den Tour-Sieg streiten.

Klöden liegt mit nur zweieinhalb Minuten Rückstand auf Pereiro in Lauerstellung. Und der Chemnitzer gilt unter den fünf Führenden als bester Zeitfahrer. Allerdings möchte Klöden es nicht auf das Zeitfahren am vorletzten Tour-Tag ankommen lassen. Auf der heutigen letzten Bergetappe will der T-Mobile-Profi, wie er sagt, „noch ein wenig an meinem Rückstand knabbern.“ Heute könnte also wieder eine Entscheidung fallen – und vermutlich wird auch sie noch nicht die letzte sein.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false