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Blechlawine. Der Wagen von Sergio Perez ist nach dem Aufprall ein Totalschaden. Foto: dpa

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Sport: Eine Ahnung von Vergänglichkeit

Perez’ Unfall im Qualifying zeigt, dass die Formel 1 in Monaco ein kaum zu kontrollierendes Risiko eingeht

Von Christian Hönicke

Es waren noch knapp drei Minuten in der Qualifikation zu fahren, da wurde es still in Monaco. Ein Knall war soeben durch die Straßen und über die Jachten hinweggehallt, das Klingen der Champagnergläser rund um den Hafen erstarb genauso wie der Motorenlärm. Die Blicke richteten sich zu einer Staubwolke an der Hafenschikane, in deren Mitte der Mexikaner Sergio Perez saß. Bei Tempo 280 war er mit seinem Sauber unterwegs gewesen. Als er auf die Bremse drückte, brach sein Wagen aus, schlug in die Leitplanke ein, flog quer durch die Schikane und schlug in die Kunststoffbarriere vor einem tonnenschweren Bergungskran ein. Minutenlang saß er regungslos im Wrack, während Vater Perez aufgelöst durch die Boxengasse lief, dann kam der Krankenwagen.

Den glamourösesten Formel-1-Grand- Prix des Jahres umwehte plötzlich eine Ahnung der Vergänglichkeit. Bis es eine erste Entwarnung gab: „Er hat gesprochen und ist bei Bewusstsein“, sagte Saubers Pressesprecher Hanspeter Brack. Sein Start ist dennoch fraglich. Später teilte sein Team mit, Perez werde die Nacht im Krankenhaus verbringen. Er habe eine Gehirnerschütterung und eine Oberschenkelprellung, aber keine Brüche erlitten.

Darüber zeigte sich auch Weltmeister Sebastian Vettel erleichtert, der heute (14 Uhr/RTL und Sky) zum ersten Mal in Monaco von der Poleposition starten wird. „Das Wichtigste war zu hören, dass Sergio okay und bei Bewusstsein ist“, sagte der Red-Bull-Pilot. Was das Ergebnis angehe, „hätte es mit Sicherheit nicht besser laufen können“, erklärte Vettel, der den McLaren-Piloten Jenson Button und seinen Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber hinter sich gelassen hatte. „Aber es wirft natürlich immer einen Schatten, wenn einer der Kollegen einen Unfall hat und es so lange dauert, bis er aus dem Auto kommt.“

Perez’ Unfall vom Samstag führt der Formel 1 allzu deutlich vor Augen, dass sie mit dem jährlichen Abstecher in das verwinkelte Fürstentum ein kaum zu kontrollierendes Risiko eingeht. Die Stelle am Ausgang des Tunnels unter dem Casino ist eigentlich seit dem ersten Formel-1-Jahr unverändert gefährlich. 1955 raste Alberto Ascari ins Meer, Lorenzo Bandini verbrannte hier 1967, 1994 fiel der Sauber-Pilot Karl Wendlinger nach einem Aufprall an der gleichen Stelle ins Koma.

Zuvor schon waren am Donnerstag Witali Petrow und im freien Training am Samstag auch Nico Rosberg bei der Anfahrt auf die „Nouvelle Chicane“ verunglückt. Beide Autos waren wie Perez’ Sauber auf der Kuppe nach dem Tunnel plötzlich ausgebrochen. Rosberg flog über die Temposchwellen durch die Schikane und schrammte dabei nur um Zentimeter an der Wand vorbei, in die Perez später knallte. „Ich hatte Angst“, gestand Rosberg. Nur mithilfe der Mechaniker seines Teamkollegen Michael Schumacher konnte der lädierte Mercedes rechtzeitig wieder zusammengeflickt werden, sodass Rosberg – zwei Plätze hinter Schumacher – nun als Siebter ins Rennen gehen kann. Die Temposchwellen wurden danach eiligst abgebaut, doch die Auslaufzone an der schnellsten Stelle der Strecke ist und bleibt zu klein.

Jenson Button kennt das aus eigener schmerzvoller Erfahrung. „Ich hatte hier 2003 einen Unfall – ich weiß, wie weh das tut“, sagte der Brite und erklärte die Tücken dieses Abschnitts: „Wenn man dort auf die Bremse drückt, wird das Auto hinten sehr leicht, du wirst manchmal zu einem Passagier. Das scheint in diesem Jahr besonders so zu sein.“ Auch Rosberg befand: „Es scheint so zu sein, dass die Strecke da gefährlich ist.“ Eventuell ist das auf den Einsatz des sogenannten DRS zurückzuführen. Um das Überholen zu erleichtern, verringert das „Drag Reduction System“ den Anpressdruck zugunsten einer höheren Geschwindigkeit, indem der Heckflügel per Knopfdruck hochgestellt wird.

In den Trainingsfahrten und dem Qualifying durfte der Heckflügel unbegrenzt, also auch vor der Hafenschikane, eingesetzt werden. Für das Rennen darf er immer nur in einer bestimmten Überholzone angewendet werden. Eigentlich wäre dafür die Tunnelpassage ideal, doch die Piloten hatten schon vor den Unfällen vom Samstag bis auf Lewis Hamilton und Michael Schumacher aus Sicherheitsgründen geschlossen dagegen gestimmt. Nun kommt das DRS am Sonntag nur auf der Startzielgeraden zum Einsatz.

Doch ob mit oder ohne DRS – der Tunnelausgang sei „keine schöne Stelle“, sagte Mark Webber. „Du kommst mit Höchstgeschwindigkeit an, und es ist sehr wellig dort.“ Die Bodenwelle hatte Perez fast fünf Meter neben der Ideallinie zu umfahren versucht. Es sei sehr schwer, im engen Stadtstaat etwas zu unternehmen, sagte Button, „denn Monaco ist, wie es ist, ein Stadtkurs. Wir lieben es auch, hier zu fahren. Aber das ist eine Stelle, die wir diskutieren müssen, um die Sicherheit zu verbessern.“

Bis dahin hilft nur das Verdrängen. „Wir werden alle morgen fahren – und im Rennen, da bin ich sicher, wird es keine Zwischenfälle geben“, erklärte Button. „Ich hoffe es.“

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