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Sport: Eine Elf findet sich

Nach intensiven Experimenten nimmt die deutsche Nationalmannschaft nun klarere Konturen an

Per Mertesacker hat es in Deutschland längst zu einer bemerkenswerten Berühmtheit gebracht. 15 Länderspiele hat der 20-Jährige bereits für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestritten. Als er am Mittwoch nach seinem 15. Einsatz beim 4:2 gegen Südafrika vor einer Kamera der ARD stand, sah er sich plötzlich seltsamen Fragen ausgesetzt. Ob er denn die Hosen voll gehabt habe bei seinem ersten Spiel über 90 Minuten, wollte der Mann vom Fernsehen wissen. „Das war schon sehr lustig“, sagte Mertesacker, der das Opfer einer Verwechslung geworden war. Der Reporter hatte ihn für Marcell Jansen gehalten.

Man muss den Mann vom Fernsehen ein bisschen in Schutz nehmen. Seit der Blondschopf Jürgen Klinsmann Bundestrainer ist, spielen lauter blonde Jungs in der Nationalmannschaft, Jansen und Mertesacker, Sinkiewicz und Borowski. Da kann man schon mal den Überblick verlieren. Doch Klinsmann wird auf die Nöte der Reporter auch weiterhin keine Rücksicht nehmen. Er sagt zwar stets, Ratschläge seien ihm stets willkommen; aber das heißt noch lange nicht, dass er sich die Ratschläge auch zu Herzen nimmt.

Klinsmanns generelles Problem ist, dass seine Aufgabe mit der Vorstellung der Öffentlichkeit nicht unbedingt in Einklang zu bringen ist. Als Bundestrainer verfolgt er das langfristig angelegte Ziel, im nächsten Sommer Weltmeister zu werden; das Publikum erwartet davon abgesehen aber auch kurzfristig Erfolge. Der Sieg gegen Südafrika könnte beide Prinzipien nun halbwegs miteinander versöhnt haben. „Da wächst eine Mannschaft heran mit vielen jungen Spielern, und die wird noch besser“, sagte Klinsmann.

Nach einer intensiven Experimentierphase stand gegen Südafrika eine Elf auf dem Feld, die so oder in leicht modifizierter Besetzung auch bei der WM spielen könnte. Jede Position war mit einem Spezialisten besetzt, so wie Klinsmann sich das immer vorgestellt hat, und es war zumindest zu erahnen, wie der von ihm geforderte Konkurrenzkampf die Mannschaft wirklich voranbringen kann, anstatt sie zu verunsichern. Der fahrige Sebastian Deisler wurde zur Pause gegen Bernd Schneider ausgewechselt. Deisler weiß jetzt, dass er mehr anbieten muss, weil es jemanden gibt, der ohne weiteres für ihn einspringen kann. Genauso geht es Arne Friedrich im Duell mit Patrick Owomoyela oder Robert Huth, der erst einmal von Lukas Sinkiewicz abgehängt wurde.

So viel Klarheit war lange nicht. Für Spieler wie Thomas Hitzlsperger, Andreas Hinkel oder Christian Wörns mag das eine frustrierende Erkenntnis sein; der Mannschaft aber kann diese Sicherheit nur gut tun. Klinsmanns offensives Spiel erfordert gerade in der Defensive eine hohe taktische Disziplin, und es war vor allem den jungen Abwehrspielern anzusehen, dass sie dafür eine Menge Aufwand betreiben mussten. „Das hat viel Kraft gekostet“, sagte Per Mertesacker. „Aber da müssen wir jetzt ran.“ Je besser sich die Spieler kennen, desto harmonischer ist die Abstimmung und desto sicherer fühlen sie sich – was vor allem dann wichtig ist, wenn die Mannschaft so offensiv verteidigt wie gegen Südafrika.

Der kollektive Fortschritt in der Defensivarbeit wurde durch individuelle Fehler vor den beiden Gegentoren jedoch wieder zunichte gemacht. „Das dürfen wir jetzt nicht wegblenden“, forderte Kapitän Michael Ballack. Die Gefahr besteht zumindest bei den unmittelbar Beteiligten offenbar nicht. Per Mertesacker sagte: „Es war ein Anfang heute.“

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