zum Hauptinhalt

Sport: Eine Jahrhundertleistung und ein Zufall

Von Karin Sturm Magny-Cours. Und dann weinte Michael Schumacher.

Von Karin Sturm

Magny-Cours. Und dann weinte Michael Schumacher. Kurz nachdem ihm sein Teamchef Jean Todt über Funk zugebrüllt hatte, was er ohnehin schon wusste: „Du bist Weltmeister!“ Eigentlich kennt er das, schließlich passierte ihm das zum fünften Mal. Doch diesmal war es wider Erwarten noch einmal spannend geworden. Und es hatte genau genommen nicht Schumacher selbst, sondern ein Formel-1-Neuling zu verantworten, dass es gestern schon klappte mit dem Titel. Der Motor des Toyotas von Allan McNish ging fünf Runden vor Schluss des Großen Preises von Frankreich in Rauch auf und ermöglichte den größten Moment der jüngeren Formel-1-Geschichte. Kurz darauf steuerte nämlich der Führende Kimi Räikkönen auf die Stelle des Missgeschicks zu, verbremste sich in der Ölspur des Toyotas, und Schumacher schlüpfte innen durch.

Fünf lange Runden später, laut Schumacher „die schlimmsten meiner Karriere“, hatte der Ferrari-Pilot seinen fünften Weltmeistertitel in der Tasche. Der Mann aus Kerpen zog damit mit dem bisherigen Rekordhalter Juan Manuel Fangio gleich. Nebenbei ist Schumacher nun auch der schnellste Weltmeister aller Zeiten, nach nur elf von 17 Rennen. Nach seinen Tränen pustete er bei jedem Satz durch, als wolle er die Emotionen aus seinem Körper vertreiben. „Ich finde in solchen Momenten nie die richtigen Worte“, sagte er. „Das überwältigt mich jedes Mal.“

Noch schlimmer als die letzten Runden wurden für Schumacher die Stunden nach dem Rennen. Denn die an der Stelle des Überholmanövers geschwenkten gelben Flaggen bedeuteten eigentlich Überholverbot. Die Sportkommissare untersuchten, ob das Manöver regelwidrig gewesen sei. Selbst Schumacher gab zu, sich nicht ganz sicher gewesen zu sein. Aber dann verkündete Ferrari-Technikchef Ross Brawn: „Es ist alles okay!“ Ferrari konnte das offizielle WM-Foto schießen lassen. Die Hoffnungen seiner Konkurrenten, dass nach dem fünften Titel nun endlich Schluss sei, widerlegte Schumacher unmittelbar nach dem Rennen: „Ich denke, dass wir noch einige Zeit lang so tolle Rennen fahren können."

Schon vor dem Start hatten sich Schumachers Chancen auf den WM-Titel entscheidend verbessert. Sein Teamkollege Rubens Barrichello saß in der Startaufstellung ungefähr zwanzig Zentimeter höher im Auto als alle anderen, weil der Wagen noch aufgebockt war. Barrichello wurde in die Box geschoben und startete gar nicht mehr. Er war neben dem Williams-Fahrer Juan Pablo Montoya der Einzige, der Schumachers Titel noch hätte verhindern können.

Es entwickelte sich ein spannender Dreikampf zwischen Montoya, Schumacher und McLaren-Pilot Kimi Räikkönen. Die drei waren anfangs nie mehr als zwei Sekunden auseinander. In der 24. Runde übernahm Michael Schumacher erstmals die Führung, als Montoya zum Nachtanken an die Box fuhr. Mit freier Sicht fuhr der Weltmeister zwei schnelle Runden in Folge, bevor auch er seinen ersten Boxenstopp einlegte. Der Vorsprung reichte, um sich an der Boxenausfahrt knapp vor den Kolumbianer zu setzen.

So knapp, dass Schumacher dabei über die weiße Linie fuhr, die aus Sicherheitsgründen den Boxenausgang von der Strecke trennt und nicht befahren werden darf. Die Folge war eine Drive-Through-Strafe, bei welcher der Pilot einmal langsam durch die Boxengasse fahren muss. In der Zwischenzeit hatte Schumacher so viel Vorsprung herausgefahren, dass er sich nach der Strafe wieder unmittelbar in das Duo Montoya und Räikkönen einreihte, allerdings hinter den Finnen. Wie schon zu Beginn war Schumacher der Schnellste, kam jedoch nicht vorbei.

In der 43. von 72 Runden kam Montoya in Führung liegend zu seinem zweiten Stopp in die Box. Schumacher nutzte die folgenden Runden hinter dem nun führenden Kimi Räikkönen, um vor seinem zweiten Boxenstopp genügend Vorsprung auf Montoya herauszuholen. Bei der Ausfahrt war es nicht halb so knapp wie zuvor, tatsächlich war Montoya nicht einmal zu sehen. Und Schumacher mied die weiße Linie derart, dass er fast aufs Gras fuhr. Vielleicht hätte er ein bisschen mehr riskieren sollen. So blieb nämlich Kimi Räikkönen auch nach seinem letzten Boxenstopp vor dem Weltmeister.

Ausgerechnet der junge Finne, der noch nie ein Rennen gewinnen konnte, sollte nun mit seinem ersten Sieg Schumachers Titel verhindern. Montoya spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr, fuhr wild durch die Kurven driftend hinter dem zweiten McLaren-Piloten David Coulthard auf Platz vier. Wie schon zuletzt bauten seine Reifen mit zunehmender Renndauer ab. Alles kam nun darauf an, ob Schumacher Räikkönen noch würde überholen können. Lange sah es nicht so aus. Bis fünf Runden vor Schluss ein Toyota-Motor in Rauch aufging.

NAME

Zur Startseite