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Sport: Eine Leidenszeit in Wuppertal

Von Frank Bachner Berlin. Gerd vom Bruch saß vor dem Fernseher, als der Anruf kam.

Von Frank Bachner

Berlin. Gerd vom Bruch saß vor dem Fernseher, als der Anruf kam. Hannes Scherers war dran, vom Bruchs Kumpel. Scherers war Physiotherapeut beim Zweitligisten Wuppertaler SV, als vom Bruch dort Trainer war. Lange her, Saison 92/93. Im Fernsehen hatten sie gerade das Vorrundenspiel Südkorea gegen Polen gezeigt, Südkorea hatte 2:0 gewonnen, und Scherers sagte: „Hast du den Hwang gesehen? Mann, was hätte aus dem werden können, wenn der damals hier geblieben und nicht aufgeben hätte.“ Hwang Sun-hong hatte das 1:0 für Südkorea geschossen, und auch seinetwegen steht Südkorea am Dienstag im Halbfinale gegen Deutschland (13 Uhr 30/live in Premiere).

Vor zehn Jahren aber stand er in der Zweiten Liga, beim Wuppertaler SV, und als vom Bruch den Stürmer trainierte, da sagte er zu seinem Assistenten: „Sag mir mal, wo der Schwächen hat?“ Hwang Sun-hong, sagt vom Bruch heute, „war damals schon ein fast kompletter Spieler. Schnell, technisch stark, er schoss beidfüßig, hatte eine enorme Sprungkraft, und er spielte ruhig, abgeklärt. Und er hatte Charakter.“ Damals war Sun-hong 23, und eigentlich war er ja nicht viel mehr als ein Amateur. Er hatte gerade noch in der Oberliga gespielt, für die Amateure von Bayer Leverkusen, er schoss 22 Saisontore für Bayer, aber Leverkusen lieh ihn trotzdem aus. An Wuppertal, und vom Bruch hatte „damals schon nicht verstanden, warum die ihn haben gehen lassen“.

Und nach ein paar Spielen von Sun-hong für Wuppertal, da war sich der frühere Coach von Borussia Mönchengladbach sicher: „Das wird der absolute Hammer in der Zweiten Liga. Der landet in der Bundesliga.“ Sun-hong hatte das Zeug zum Führungsspieler, sagt vom Bruch, der heute als Spielerberater arbeitet. Er hat ein Auge dafür, aber eigentlich musste er damals ja nur seine Spieler beobachten. „Die haben Hwang schon nach einer Woche voll akzeptiert. Einen Mann, der von der Oberliga kam!Die spürten: Das ist ein Volltreffer.“

Aber dann kam das Spiel gegen St. Pauli, und damit begann eine neue Phase des Hwang Sun-hong. Es begann seine Leidenszeit. Nur wusste der 23-Jährige nicht, dass die nicht enden würde, jedenfalls nicht in Wuppertal. Der Stürmer wurde an der Mittellinie gefoult, und als der Arzt später sagte: „Kreuzbandriss“, da wurde Sun-hong blass. Eine schlimmere Verletzung gibt’s nicht für Fußballer. Acht Monate fiel er aus. Scherers kümmerte sich um ihn, „Tag und Nacht“ sagt vom Bruch, der Physiotherapeut war ein Ersatzvater für den 23-Jährigen. Aber Sun-hong brauchte mehr als einen Ersatzvater. Er hätte mehr soziale Kontakte benötigt, aber er saß alleine in seiner Wohnung in Marl und konnte sich nur mit dem Gedanken ans Comeback ablenken. Dann, endlich, spielte er wieder. Ein Testspiel, und nach ein paar Minuten lag er wieder da. Kreuzbandriss. Ein Schock. Und diesmal gab er auf. „Er wollte nicht mehr“, sagt vom Bruch. Hang Sun-hong floh. Er floh in die Heimat, nach Südkorea. Ohne den Umweg Leverkusen. Ende einer verheißungsvollen Karriere.

Ende jedenfalls in Europa. In Südkorea kämpfte sich Sun-hong wieder heran. 1994, bei der WM, spielte er für Südkorea gegen Deutschland. Berti Vogts’ Team gewann 3:2, aber Sun-hong hatte starke Szenen. Heute ist er 33, spielt für Kashiwa Reysol, und er ist ein Volksheld. Gut, sagt vom Bruch, „er ist älter geworden, es fehlt die absolute Dynamik, aber er ist immer noch stark.“ Vielleicht zu stark für Deutschland.

Als Scherers am Telefon war, hörte ihm vom Bruch aufmerksam zu. Dann sagte er: „Du hast Recht, es ist ein Riesenjammer, dass er damals bei uns nicht weitermachte.“

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