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Sport: Eine nationale Angelegenheit

Für Australier sind die 1500 Meter Freistil ein ganz besonderer Wettkampf – Grant Hackett tritt nach seinem Weltrekord über 800 Meter heute wieder an

Einen etwas feierlicheren Rahmen hätte Grant Hackett an diesem Tage verdient gehabt. Stattdessen musste der weltbeste Langstreckenschwimmer vor kleiner Kulisse das tun, was weltbeste Langstreckenschwimmer eben manchmal tun – und was sich Hackett für die Weltmeisterschaft fest vorgenommen hatte: Er wollte Weltrekord über 800 Meter Freistil schwimmen. Der nämlich gehörte ihm vor WM-Beginn noch nicht, sondern seinem Freund Ian Thorpe. Jetzt gehört er Hackett.

Der Australier Grant Hackett besitzt noch einen anderen Weltrekord, jenen über 1500 Meter Freistil. An diesem Sonntag, dem Abschlusstag der Schwimm-WM in Montreal, steht das Finale über diese Strecke an. Hackett ist hoher Favorit für das Rennen. Seine Erfolgsbilanz über 1500 Meter Freistil ist umwerfend: Olympiasieger 2000 und 2004, seit fast neun Jahren ungeschlagen. Jetzt kann er als erster Schwimmer überhaupt zum vierten Mal in Folge Weltmeister auf ein und derselben Distanz werden. Wobei diese Strecke für seine Landsleute nicht irgendeine, sondern die Strecke schlechthin ist. Spricht Hackett über diese Distanz, sagt er nicht 1500 Meter, sondern „the fifteen“. Die Fünfzehn. Ein Kosename für eine Schwimmdistanz – das sagt alles über das Verhältnis der Australier zu der längsten Strecke beim Bahnenschwimmen.

Natürlich hat die Sympathie, die speziell diesem Rennen in Australien seit Jahrzehnten entgegengebracht wird, mit Erfolgen einheimischer Schwimmer zu tun. Grant Hackett befindet sich in einer stolzen Ahnenreihe: Murray Rose, der europäische Kriegsflüchtling John Konrads, Kieren Perkins – sie haben die 1500 Meter Freistil dominiert, allerdings keiner in dem Maße wie Hackett seit 1997.

Die 30 Bahnen sind australisches Nationalheiligtum, und die Bewohner des Landes zeigen Mitgefühl: Wir können gut verstehen, sagen sie, dass die anderen Nationen keine Lust mehr auf dieses Rennen haben. Die Eintönigkeit in den Siegerlisten freilich erhöht noch die Begeisterung auf dem Fünften Kontinent. Beim olympischen 1500-Meter-Finale im letzten Jahr stiegen die Schwimm-Fans in Sydney, Melbourne und Perth um drei Uhr morgens aus den Betten, um das Rennen im Fernsehen zu erleben.

Die meisten WM-Medaillen unter den Schwimmern hat Hackett jetzt schon gewonnen. Außerdem macht er dem Amerikaner Michael Phelps die Rolle als erfolgreichster Schwimmer dieser WM streitig. Zumindest, was die Einzelrennen angeht: Phelps holte in Montreal bislang zweimal Einzelgold, startet am Wochenende noch über 100 Meter Schmetterling. Macht maximal drei Einzeltitel, so viele wie auch Hackett bei einem Sieg über 1500 Meter Freistil erreichen kann.

Vielleicht muss er dann ja auch mal zur Abwechslung vorwiegend Fragen über sich und nicht über Ian Thorpe beantworten. An seinen allgegenwärtigen Freund im fernen Australien wurde der 25-Jährige auch erinnert, nachdem er im kühlen kanadischen Sommerwind auf dem Siegerpodest die Ehrung für seinen Weltrekord über 800 Meter überstanden hatte. Der bei dieser WM oft dürftige Zuschauerzuspruch war an diesem Tag besonders jämmerlich, dazu quäkte eine armselige Version der australischen Nationalhymne aus den Boxen. „Ian Thorpe ist etwas, mit dem ich meine gesamte Karriere werde umgehen müssen“, sagte Hackett, „also werde ich mich hüten, mich davon beeinflussen zu lassen.“

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