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Immer wieder das gleiche Bild. Wenn Rafael Nadal und Roger Federer aufeinander treffen, gewinnt am Ende meist der Spanier.

© dpa

Eine Polemik: Warum Rafael Nadal der beste Tennisspieler aller Zeiten ist

Roger Federer oder Rafael Nadal? Die Frage verbietet sich eigentlich. Unser Autor stellt sie trotzdem und kommt zu dem Schluss, dass Nadal und nicht Federer der beste Tennisspieler aller Zeiten ist. Eine Polemik.

Am 19. Geburtstag von Rafael Nadal nahm Roger Federers Dilemma seinen Lauf. An jenem 3. Juni 2005 traf der vermeintlich beste Tennisspieler aller Zeiten erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier auf seinen spanischen Rivalen. Nadal gewann dieses Halbfinalduell auf der roten Asche von Paris, so wie auch alle späteren Duelle mit Roger Federer in insgesamt vier Endspielen der beiden bei den French Open. Nadal hat Federer nach zwei vergeblichen Anläufen schließlich auch in Wimbledon besiegt, auf dessen Lieblingsbelag Rasen. In zehn Matches bei Grand Slams zwischen Federer und Nadal hieß der Sieger achtmal Nadal. Doch wenn der beste Spieler der Welt in wichtigen Duellen fast immer gegen diesen einen Widersacher verliert, ist er dann wirklich der beste? Gebührt nicht viel eher dem anderen, der vermeintlichen Nummer zwei, dem stetigen Federer-Bezwinger, die Anerkennung als größter Tennisspieler aller Zeiten?

Roger Federer hält mit 17 Grand-Slam-Titeln die historische Bestmarke. Er spielt Tennis, wie Tennis gespielt werden sollte. Filigran und technisch brillant, kraftvoll und doch beinahe lässig. Und all das paart der Schweizer auch noch mit einem tadellosen Verhalten auf und neben dem Platz. Überall auf der Welt lieben ihn die Tennisfans, mehr Musterprofi geht nicht.

Rafael Nadal ist auf den ersten Blick das genaue Gegenteil. Der Mann aus Manacor auf Mallorca arbeitet Tennis. So war es schon im Kindesalter, als Onkel Toni seinem rechtshändigen Schützling antrainierte, mit links zu spielen. Nadal kann sich in einen Gegner verbeißen, auch wenn er noch so übermächtig erscheint. Sein Spiel strotzt vor Kraft, sich aufzugeben, steht nicht in seinem Matchplan. Er ist der Anti-Federer, der Typ, der die Party stört – wieder und wieder. Nadal wird von den Fans nicht geliebt, er wird eher gefürchtet – vor allem von den Federer-Anhängern.

Der Schweizer Journalist und bekennende Federer-Fan Dominique Eigenmann schrieb in seiner Buch-Hommage „Faszination Federer“ über Nadal: „Er bedrohte … meine Überzeugung, ja meine Hoffnung, dass wenigstens im Sport überlegene Schönheit gegen rohe Kampfkraft sich immer durchsetzen würde.“

Dass Federer fast alle Rekordlisten im Tennis anführt, liegt auch daran, dass Nadal in seiner Karriere wiederholt von seinem Körper ausgebremst wurde. Seit er 2004 auf die Tour kam, hat er nur in fünf Saisons alle vier Grand-Slam-Turniere eines Jahres bestreiten können. Roger Federer spielt bei den am Montag beginnenden US Open sein 56. Major-Event in Folge. Von schweren Verletzungen blieb der Schweizer in seiner Karriere fast völlig verschont. Anders Nadal: Immer wieder waren es chronische Entzündungen in seinen Knien, die ihn zu Pausen zwangen. Wie oft er trotz seiner Schmerzen auf den Platz ging, ist eines seiner wohlgehüteten Geheimnisse. Am Ende noch fast jeder Saison war Nadal derart geschlaucht, dass er sich nur noch mit purem Willen über den Platz schleppte.

Nadal hat 2013 neun Turniere gewonnen und nur drei Matches verloren

Als 2012 nach dem Wimbledon-Turnier einer Zwangspause wegen neuerlicher Knieprobleme unvermeidbar war, gab es viele, die ihm ein Comeback nicht mehr zutrauten. Doch Nadal kehrte sieben Monate später besser denn je zurück. 2013 hat er zwölf Turniere bestritten, dabei elf Mal das Finale erreicht und neun Titel gewonnen. Seine Jahresbilanz vor den US Open stand bei 56 Siegen und drei Niederlagen. Auf Hartplatz, dem vermeintlich unangenehmsten Belag für seine lädierten Knie, ist er in fünfzehn Spielen in dieser Saison noch ungeschlagen. Nadal ist längst nicht mehr nur der unschlagbare Sandplatzkönig, er kann auf jedem Belag jeden Gegner dominieren. Auch deshalb begleiten seine Leistungen Zweifel.

Wie kann bei einem Sportler, der anscheinend nur über die Kraft kommt, alles mit rechten Dingen zugehen? Dabei wird gern übersehen, dass der Spanier von einem selbst für Profisportler ungewöhnlichen Ehrgeiz getrieben wird. In seiner Biografie „Rafa“ beschreibt er diesen inneren Antrieb: „Mir ist sehr bewusst, wie kurz das Leben eines Profisportlers ist, und ich kann den Gedanken nicht ertragen, eine Gelegenheit zu verschenken, die sich vielleicht nie wieder bieten wird. Ich weiß, dass ich nicht glücklich sein werde, wenn meine Karriere vorbei ist, und solange sie dauert, möchte ich das Beste daraus machen.“

Andere Sportler hätten ihre Karrieren vielleicht längst beendet und es nicht mehr fertig gebracht, sich nach all den großen Erfolgen und schweren Verletzungen noch einmal bis zur Höchstform zu quälen. Aber Nadal steht immer wieder auf. Dabei hat er die Vormachtstellung seines großen Rivalen Federer nie in Zweifel gestellt. Fast schon gebetsmühlenartig hat er seinen Gegner immer wieder als „den besten Tennisspieler aller Zeiten“ bezeichnet. Um ihn dann doch wieder zu besiegen und mit eben jenen Worten Lob und Trost zu spenden. Fleiß schlägt Talent. Zwölf Grand-Slam-Titel hat Nadal gewonnen, sechs davon durch Finalsiege gegen Federer. In Peking wurde er 2008 Olympiasieger – ein Erfolg, dem Federer in seiner Laufbahn wohl für immer vergeblich hinterherlaufen wird. Und mit 27 Jahren ist der Spanier noch jung genug, um seine persönliche Bilanz weiter auszubauen.

Rafael Nadal ist bei den US Open der Topfavorit. In der ersten Runde setzte er sich am Montag genauso locker durch wie Roger Federer einen Tag später. Gewinnt Nadal das Turnier, könnte er wieder die Nummer eins der Weltrangliste werden. Auf dem Weg dorthin trifft er im Viertelfinale womöglich einmal mehr auf Federer – so früh wie noch nie bei einem Grand Slam. Es wäre das erste Duell der beiden in New York. Sollte es Nadal gewinnen, hätte er Federer bei jedem der großen Turniere mindestens einmal bezwungen. Kein anderer Spieler könnte das von sich behaupten. Es wäre der nächste Schritt auf dem Weg von Rafael Nadal zum besten Tennisprofi aller Zeiten.

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