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Allein auf der Tribüne. Manager Klaus Allofs (l.) und Trainer Thomas Schaaf fühlen sich vom Verein nicht genügend unterstützt. Foto: dpa

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Sport: Eine schrecklich nette Familie

Werder Bremen fehlt es an Geld. Nun ist ein Machtkampf ausgebrochen, der den ganzen Klub erschüttert

Es ist noch kein Jahr her, da blickten die Fußball-Profis von Werder Bremen beim Gang in die Kabine verwundert auf ein neues Manifest, das da an der Wand klebte. Der so genannte Ethik-Kodex. Eine Aufforderung an alle Mitglieder, aber auch explizit an alle Aktiven, sich zu Werten wie Respekt, Fairplay und Toleranz zu bekennen. Dazu kam im September vergangenen Jahres auch eine Presseerklärung heraus, auf der Vereinspräsident Klaus-Dieter Fischer unter anderem damit zitiert wurde, dass alle Mitarbeiter Vorbilder und Botschafter des SV Werder Bremen seien, „ihr Handeln kann das Ansehen des Vereins beeinflussen“.

Zehn Monate später wäre es ganz dienlich, die grün-weißen Führungsfiguren würden noch einmal einen Blick auf das Pamphlet werfen. Der einstige Vorzeigeverein steckt in der Vertrauenskrise – und ganz offen streiten Vorstand und Aufsichtsrat über Geld und Macht. Scheinbar unversöhnlich stehen sich gegenüber: Vorstandschef Klaus Allofs und Aufsichtsratschef Willi Lemke. Dass sich der Pferdeliebhaber und Ex-Nationalspieler Allofs, 54, sowie der UN-Botschafter und Ex-Manager Lemke, 64, nicht grün sind, ist längst kein Geheimnis; neu ist nur, dass der Disput öffentlich ausgetragen wird.

„Es besteht keine Feindschaft zwischen Willi und mir“, sagt Allofs zwar. Doch sein Gegenspieler Lemke war es, der trotz der langwierigen Verletzungen von Per Mertesacker, Mikael Silvestre, Sebastian Boenisch und Naldo das Geld für ein Ausleihgeschäft des griechischen Abwehrspielers Sokratis Papastathopoulos (FC Genua) eingefroren hat. Mit Verweis auf die leeren Kassen und die Tatsache, dass nach den fetten Jahren mit sechs Champions-League-Teilnahmen in sieben Spielzeiten dringend gespart werden müsse. Allofs klagte extern darüber, ihm fehle „grünes Licht“ für Transfers; Lemke rechnet intern vor, dass nach dem Fünf-Millionen-Einkauf Mehmet Ekici und der panikartig anmutenden Verpflichtungen des ablösefreien Andreas Wolf der Spielraum erschöpft sei. Erst müssten alte Spieler verkauft werden, um neue zu kaufen.

Unklar ist, ob das Finanzloch nur durch den teuer entlohnten Spielerkader (zuletzt kolportierte Personalkosten: 47 Millionen Euro) oder den überteuerten Stadionumbau entstanden ist. Die Modernisierung des Weserstadions, das nun mit einer Photovoltaikanlage ummantelt ist, die im Nicht-Sonnen-Stadtstaat Bremen ungefähr so viel Strom produziert wie die künstliche Besonnung des Rasens verschlingt, hat unter dem Strich 76 Millionen Euro gekostet. Jetzt kam heraus, dass die Stadt sogar eine Bürgschaft über zehn Millionen beibringen musste, sonst hätten die Banken die Mehrkosten nicht finanziert. An der Bremer Weserstadion GmbH ist der SV Werder nur zur Hälfte beteiligt, bezahlt aber den Kredit allein ab. Der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer Klaus Filbry beteuert allerdings: „Das Stadion hat uns jetzt nicht in die Situation gebracht und wird es auch in Zukunft nicht tun.“

Aber was ist es dann? Fakt ist, dass Werder in den vergangenen fünf Jahren rund 87 Millionen Euro aus dem Europapokal und 80 Millionen durch Spielerverkäufe eingenommen hat – zur Saison 2011/2012 steht in der ersten Kategorie auf jeden Fall eine Null, in der zweiten bislang noch ein Saldo. Nur warum sprechen die Verantwortlichen die daraus resultierende Strategie nicht wie einst hinter verschlossenen Türen ab? Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Jürgen L. Born spricht bei Klubführung und Aufsichtsrat unverhohlen von „Verblendung“. Born sagt: „Ich gehe mit vielen Beobachtern überein und meine, dass die Werder-Familie nach dem Ausscheiden von Manfred Müller und mir ins Bröckeln geraten ist.“

Es steht gar im Raum, dass Allofs und Schaaf in dieser Gemengelage ihre 2012 auslaufenden Verträge nicht verlängern werden. „Wenn wir unsere Arbeit nicht mehr machen können, wie wir sie uns vorstellen, wenn die Chemie nicht mehr stimmt, ist es durchaus möglich, dass man getrennte Wege geht“, drohte Allofs vor wenigen Tagen. Schaaf, ebenfalls 1999 in die Verantwortung getreten, hat bereits betont, dass er das Saisonziel – internationaler Wettbewerb – mit dem derzeitigen Personalstand kaum erreichen könne. Dem Bundesligisten droht im besten Fall eine weitere Spielzeit als Gratwanderung – und im schlimmsten Fall eine Zäsur, die sich an der Weser niemand ausmalen will.

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