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Sport: Eine schrecklich verärgerte Familie

Beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Union gibt es Streit: Die Fans beklagen die Tatenlosigkeit des Präsidiums

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Die Fans machen Ernst. Einige diskutieren darüber, ob sie den monatlichen Mitgliedsbeitrag so lange auf ein Sonderkonto überweisen sollen, bis sich der Verein endlich vom Trainer getrennt hat. Das sei Erpressung, schallt es aus anderer Ecke zurück. Manche Anhänger klagen, dass es mit den dringend benötigten Verstärkungen nicht vorangehe. Da würden zwar zuhauf Spieler getestet, aber keiner ist bislang für tauglich befunden worden, der Mannschaft aus der Krise zu helfen. Und weil der Trainer nicht entlassen wird und neue Spieler nicht kommen, sieht sich das Präsidium mit dem Vorwurf konfrontiert, tatenlos dem Abstieg des Vereins zuzuschauen. Beim 1. FC Union, dem Vorletzten der Zweiten Fußball-Bundesliga, hat sich eine höchst gereizte Stimmung ausgebreitet. Der neue Präsident Jürgen Schlebrowski ist mit seinem Arbeitsplatz in Bochum und seinem Wohnsitz in Oldenburg zu weit weg vom Geschehen, um alle Nörgeleien zu kanalisieren und auf die aufgeregten Gemüter beschwichtigend einzuwirken. „Union ist eine große Familie“, hat der ehemalige Präsident Heiner Bertram stets betont. Zur Zeit scheinen die Familienbande indes reichlich brüchig.

Schlebrowski hat schon nach dem letzten Hinrundenspiel, dem bitteren 1:2 daheim gegen Wacker Burghausen, unmissverständlich bekannt gegeben, dass Mirko Votava Trainer bleibt. „Ob einer der richtige Trainer ist, entscheiden doch ganz einfache Fragen: Erreicht der Trainer die Mannschaft? Kommt die Mannschaft umgekehrt mit ihm klar? Funktioniert die Kommunikation untereinander?“, sagt Schlebrowski. Alle drei Fragen hat der Union-Präsident im Falle Votava für sich mit Ja beantwortet. Andererseits sagt Schlebrowski auch: „Einen neuen Trainer zu verpflichten, das würden wir nie aus finanziellen Gründen scheitern lassen.“

Unions Finanzlage stellt sich trostlos dar. Es gibt Stimmen, die behaupten, im Falle eines Abstiegs bräuchte der Klub erst gar nicht die Lizenz für die Regionalliga zu beantragen, er würde sie sowieso nicht bekommen. Derzeit mindert Union in kleinen Schritten die Geldnot. Beim Hallenturnier in Chemnitz sprangen 10 000 Euro Antrittsgage heraus, in Hannover 5000 Euro. Da Union beide Male als Sieger den Kunstrasen verließ, sackte der Verein noch jeweils 1500 Euro Prämie ein. 18 000 Euro Gesamteinnahme also. Das zehntägige Trainingslager auf Mallorca, zu dem Union heute aufbricht, kostet allerdings auch schon wieder 14 000 Euro.

Geld für Verstärkungen muss Union anderweitig zusammenkratzen. Beim 3:1 (0:0)Sieg im Test gestern auf dem Kunstrasen an der Wendenschloßstraße testete Votava zwei offensive Spieler: den Litauer Valdas Trakys von der SpVgg. Greuther Fürth und den Bulgaren Dian Popow von Fortuna Köln. Beide hinterließen einen guten Eindruck, Trakys erzielte gar ein schönes Tor zum 3:1. Trotzdem fliegt er nicht mit nach Mallorca. Die Fürther verlangen ihn unverzüglich zurück. Popow reist indes mit auf die Baleareninsel. Union hat in Cala Millor ohnehin ein paar Zimmer mehr gebucht – für den Fall, dass noch neue Spieler nachkommen. Zum Beispiel Jiri Nemec. Der Tscheche, früher Schalke 04, soll angeblich bei Union im Gespräch sein. Votava schreckt vor solchen Verpflichtungen zurück. „Der Jiri ist fast 38 Jahre alt. Da möchte ich mal wissen, wie die Berliner Zeitungen dann über mich herfallen, wenn ich so einen hole.“ Als Votava das sagt, kontert einer der Umstehenden: „Aber Sie haben doch mit 37 Jahren auch noch in der Bundesliga gespielt.“ Wenigstens da schmunzelt Mirko Votava. Zu lachen hat er ja sonst nicht viel.

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