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Sport: Eine Utopie wird wahr

Ulrike Maisch hätte es sich nie träumen lassen, dann gewann sie EM-Gold im Marathon

Es ist die nächste Sensation auf langer Strecke: Vier Tage nach Jan Fitschens völlig unerwarteten 10 000-m-Triumph rannte Ulrike Maisch nicht minder überraschend und auf nicht weniger spektakuläre Art und Weise zum Marathon-Gold bei der EM in Göteborg. In der persönlichen Bestzeit von 2:30:01 Stunden lief Ulrike Maisch ins Ziel und gewann damit deutlich vor Olivera Jevtic (Serbien, 2:30:27) und der Russin Irina Permitina (2:30:53). Damit schaffte die 29-jährige Läuferin des LAV Rostock ein Novum in der deutschen Leichtathletik-Geschichte. Nie zuvor hatte eine deutsche Marathonläuferin eine Goldmedaille bei einer großen internationalen Meisterschaft gewonnen – weder bei einer Europameisterschaft noch bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Der einzige deutsche Athlet, der bisher Marathon-Gold gewonnen hatte, war Waldemar Cierpinski. 1976 und 1980 wurde er im Trikot der DDR Olympiasieger.

„Mein Ziel war hier ein Platz unter den ersten acht. An eine Medaille hatte ich nie gedacht, das war völlig utopisch. Ich kann es immer noch nicht glauben“, sagte Ulrike Maisch, nachdem sie als Siegerin ins Stadion gelaufen war. Mit einer Bestzeit von 2:31:21 Stunden war die Rostockerin in den EM-Marathon gegangen. Damit war sie in der Rangliste der Starterinnen Nummer 17. Ihr größter Erfolg neben dem Sieg beim international unbedeutenden Bonn-Marathon 2002 war vor dem Rennen von Göteborg der achte Platz bei den Europameisterschaften von München vor vier Jahren.

„Ich wusste, dass die Europameisterschaften die einzige Chance bieten würden für eine gute Platzierung. Denn die Asiatinnen und Afrikanerinnen sind bei den Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen nicht zu schlagen. Es war die Chance, und ich habe sie genutzt“, erklärte Ulrike Maisch. Hinzu kam, dass der EM-Marathon von Göteborg nicht übermäßig stark besetzt war. Von den besten zehn europäischen Marathonläuferinnen dieses Jahres waren nur drei am Start. Die anderen laufen lieber bei den lukrativen Herbst-Marathonrennen wie Berlin, Chicago oder New York. Die britische Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe rennt aufgrund ihrer Schwangerschaft in diesem Jahr gar keinen Marathon. Doch das schmälert die Leistung von Ulrike Maisch nicht, schließlich hat sie sich gegen die vermeintlich deutlich stärkere Konkurrenz durchgesetzt.

Die Besetzung und der Rennverlauf kamen Ulrike Maisch entgegen und machten ihr Wunder von Göteborg möglich. „Dieser Lauf war wie für mich gestrickt“, sagte die Läuferin, die sich im Höhentrainingslager in der Schweiz auf dieses Rennen vorbereitet hatte. „Das Anfangstempo war langsam und die Strecke hatte ein paar Höhenunterschiede – beides war gut für mich.“ Während Favoritinnen wie die Italienerin Bruna Genovese, die Fünfte wurde, oder die Silbermedaillengewinnerin Olivera Jevtic sich bei windigem Wetter durch Führungsarbeit zerrieben, lief Ulrike Maisch lange Zeit mitten in der großen Führungsgruppe und sparte Kraft.

Als die beiden Russinnen Alevtina Biktimirova, Siegerin des Frankfurt-Marathons, und Irina Permitina gemeinsam mit Olivera Jevtic kurz nach Kilometer 25 das Tempo verschärften, hielt sich Ulrika Maisch zurück. „Ich wusste, dass dieses Tempo zu schnell für mich sein würde. Stattdessen bin ich gleichmäßig mein Rennen gelaufen.“ Bei 35 km hatte Ulrika Maisch als Vierte 41 Sekunden Rückstand auf das Führungstrio, doch die drei Führenden hatten sich verspekuliert. Eine nach der anderen bekam Probleme, der Vorsprung schmolz. „Als ich Dritte war, dachte ich, jetzt habe ich eine Medaille, denn ich wusste, dass mich keine noch einmal einholen würde. Dann habe ich plötzlich die Führende vor mir gesehen und gedacht, ich habe eine Chance.“ Kurz nach Kilometer 40 überholte Ulrika Maisch auch noch Irina Permitina und lief zum Gold.

Zur Marathonläuferin wurde die frühere Bahn-Langstreckenläuferin Ulrike Maisch vor sechs Jahren fast zufällig. Ohne richtige Marathonvorbereitung rannte sie in Berlin auf Platz 18 in 2:30:34. „Danach hat mein Trainer gesagt, dass dies angesichts des Trainingsaufwandes so gut sei, dass ich weiter Marathon laufen sollte“, erzählt Ulrike Maisch, die Spanisch, Französisch und Erziehungswissenschaften studiert. Für die EM-Vorbereitungen hat sie ein Urlaubssemester genommen. Diese Investition hat sich gelohnt.

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