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Sport: Einer wie Beckenbauer

Ballack hat die Bayern stark gemacht – ausgerechnet heute ist sein Einsatz ungewiss

Von Daniel Pontzen

München. Bislang hatte Franz Beckenbauer seiner sportlichen Nachkommenschaft ein solches Lob verweigert, nun schien die Zeit reif. „Er ist einer wie ich“, sagte der Urvater bayerischer Fußballkunst dieser Tage im Stadionheft des FC Bayern über Michael Ballack. Es war, als zurrte sein Bekenntnis die Neuordnung der ewigen deutschen Fußball-Rangliste endgültig fest: Michael Ballack – der neue Weltstar.

Doch wieso ausgerechnet jetzt? Trotz ausgezeichneter Referenzen aus Leverkusen und der erfolgreichen Weltmeisterschaft hatte es Zweifel gegeben, ob sich der 25-Jährige problemlos in den Erfolgsapparat der Bayern München AG einfügen könne, ob er schon das Format für die ihm zugedachte dominante Position habe und den Ersatz-Effenberg geben könne. Erst danach, so die einhellige Meinung, könne man sehen, ob Ballacks unbestrittene Ausnahmefähigkeiten ausreichten für das Prädikat Superstar.

Ein erstes Fazit knapp zwei Monate nach seinem ersten Erscheinen an der Säbener Straße wischt alle Bedenken weg. „Er hat die Erwartungen voll erfüllt“, sagt Manager Uli Hoeneß. „Er ist schon jetzt Führungsspieler“, sagt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der sich manchmal mit seinen Lobpreisungen auf den neuen Spielmacher zügeln muss. Selbst die Bayern-Granden wirken zuweilen verblüfft, mit welcher Geschmeidigkeit sich Ballack in den Betrieb einfügte und mit welcher Rasanz er dessen neue Frontfigur wurde, mit drei Toren und einer Vorlage in den ersten fünf Liga-Spielen.

Ausgerechnet heute, beim Champions League-Auftakt der Bayern gegen Deportivo La Coruña (20.45 Uhr, live auf RTL) droht Ballack nun auszufallen. „Wir werden erst kurzfristig entscheiden können, ob er spielt“, sagt Trainer Ottmar Hitzfeld, „wir hoffen bis zur letzten Minute. So einen Spielertyp wie Michael haben wir kein zweites Mal.“ Es ist kein Zufall, dass Ballack schon jetzt die Selbstgewissheit an den Tag legt, die die Bayern in den Zeiten ihrer größten Erfolge stets auszeichnete. Selbst seine prominenten Vorgänger brauchten dafür etwas Zeit. Lothar Matthäus, Mehmet Scholl, auch Stefan Effenberg bei seinem ersten München-Abenteuer – sie alle brauchten eine gewisse Anlaufphase in der neuen Umgebung. Was Ballack ihnen voraus hat, sind Tiefen. In früheren Karrierephasen lassen sie sich ausreichend aufzählen.

Gerade zehn Monate ist es her, dass sich Ballack mit drei Toren in der WM-Qualifikation gegen die Ukraine mühsam ersten bundesweiten Respekt erarbeitete. Bis dahin haftete ihm zäh das Etikett des schnöseligen Schönwetterspielers an, nach der verkorksten EM 2000 geißelte ihn die Presse als Paradebild des versagenden Jung-Millionärs. „Möchtegern-Beckenbauer“ war noch einer der netteren Kosen. Ein arroganter Fußball-Beau eben, kam ja ganz plausibel rüber. Die erfolgsentwöhnte Öffentlichkeit nahm dankend an.

Nun endlich scheinen sich die unangenehmen Erfahrungen des jungen Michael Ballack auszuzahlen, die Metamorphose zum Star ist weit fortgeschritten. Er hat zu einer Gelassenheit gefunden, die Quelle seiner Selbstsicherheit ist und ihm gleichzeitig eine Gleichgültigkeit demgegenüber gibt, was aktuell über ihn berichtet wird; im Positiven wie im Negativen. Als ihm nach seinen beiden Toren beim 2:1-Sieg in Nürnberg jemand die Schlagzeile „FC Ballack“ vor die Nase hielt, lächelte er milde: „Ich kann mit solchen Bezeichnungen überhaupt nichts anfangen.“ Sorry, sagte sein Gesicht. Michael Ballack wirkt sehr gefestigt, acht Tage vor seinem 26. Geburtstag. Auch deshalb fiel die Eingewöhnungsphase in München so kurz aus. „Michael ist schon voll integriert“, sagt sein Mannschaftskollege Thomas Linke, „weil er ein lockerer und offener Typ ist. Er hat mit keinem Probleme.“ Bisher hat Michael Ballack sein Dauerlächeln so selten abgelegt, dass es bisweilen aussieht, als sei es eingemeißelt.

Ballack weiß, dass es auch schwierigere Zeiten geben wird. „Spätestens in der Champions League werden wir auch mal ein Spiel verlieren und dann sieht es gleich anders aus“, sagt er. Doch es deutet einiges daraufhin, dass kurzfristige Rückschläge seinen bisher ungebremsten Aufwärtstrend nicht nachhaltig gefährden werden.

Zumal privat alles in ruhigen Bahnen verläuft. Feste Freundin, ein Sohn, solides Glück. Man muss ja nicht überall mit dem unsteten Beckenbauer mithalten können.

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