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Sport: Einfach aufgehört

Bremen führt 2:0 und verliert 2:3 gegen Stuttgart

Auf dem Stuhl, auf den sich Armin Veh nach dem Spiel niederließ, haben schon viele nach Erklärungen gesucht. Oft mussten die Gästetrainer hier im Presseraum des Bremer Weserstadions eine hohe Niederlage ihrer Mannschaft erläutern, und oft fielen dann hilflose Sätze wie: „Wenn Werder erstmal ins Rollen kommt, dann hast du keine Chance.“ Oder: „Wenn man hier früh in Rückstand gerät, dann geht man unter.“ Auch der Stuttgarter Trainer wusste nicht so recht wie ihm geschehen war. Denn während der ersten Halbzeit im Bremer Weserstadion musste er Schlimmstes befürchten. Nach vier Minuten war Werder durch ein Eigentor des Stuttgarters Roberto Hilbert in Führung gegangen, eine gute halbe Stunde später stand es 2:0 für die Bremer durch Mohamed Zidan. „Normalerweise holt man nach einem 0:2 hier nicht mehr viel“, sagte Veh. Doch die Bremer Automatismen fehlten diesmal. Weder spielte Werder den Gegner mit schnellem Kombinationsspiel schwindelig, noch bestach die Mannschaft durch Torhunger. Sie hörte einfach auf zu spielen – und am Ende gab es einen verdienten 3:2 (1:2)-Sieg für Stuttgart, nach verblüffend simpel herausgespielten Treffern Hilberts, des Mexikaners Pavel Pardo und einem späten Kontertor von Mario Gomez.

Es schien, als hätten die Bremer den kläglichen Versuch unternommen, den Gegner vom Dienstag, den FC Chelsea, zu kopieren. Früh führen, das Spiel kontrollieren und es ohne Anstrengung nach Hause bringen. Doch der Grat zwischen Ergebnisfußball und Kontrollverlust ist schmal. Statt die Souveränität einer Spitzenmannschaft zu verbreiten, überließen die Bremer den Stuttgartern die Initiative, mieden Zweikämpfe und offenbarten Konzentrationsschwächen. Je länger das Spiel auf diese Weise zerrann, desto mehr entglitt es Werder. „Wir haben den Gegner einfach durchlaufen lassen“, sagte Trainer Thomas Schaaf. „Wir waren nicht gewillt, ins Spiel zurückzukommen.“ Sportdirektor Klaus Allofs vermisste „Leidenschaft“ und „Spielfreude“: „Ich dachte eigentlich, dass wir schon weiter wären.“

Vier Pflichtspiele hat Werder in Folge verloren, und so unterschiedlich die Niederlagen gegen Schalke, Pirmasens, Chelsea und jetzt Stuttgart zustande kamen, so gab es doch Gemeinsamkeiten. Schneller Kombinationsfußball kam allenfalls in London streckenweise zum Vorschein, die Mannschaftsteile greifen nicht ineinander, Werder hat Probleme sich auf die Spielweise des neuen Regisseurs Diego einzustellen, und sobald ein Stammspieler – wie gestern Miroslav Klose mit einer Fußprellung – verletzt ausfällt, können die Ersatzleute die Lücke nicht schließen.

Vom erklärten Saisonziel, der Meisterschaft, ist Bremen „ein großes Stück entfernt“, wie Allofs zugibt. Einziger Trost ist, dass es den anderen ambitionierten Klubs kaum anders ergeht. Bayern und Hamburg kämpfen mit ähnlichen Problemen. Die WM hat überall ihre Spuren hinterlassen, und vielleicht wird in diesem Jahr Meister, wer sich am schnellsten davon erholt. Ein Rezept dafür hatte aber noch keiner der Bremer parat, eher simple Wahrheiten. „Nicht immer nur reden, sondern machen“, ordnete Schaaf an. Und Torhüter Tim Wiese erkannte: „Wir haben keine Krise, aber wir sollten langsam mal wieder ein Spiel gewinnen.“

Steffen Hudemann[Bremen]

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