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Sport: Einfach drauflosgeschlagen

Der erfolgreiche Jungprofi Marcel Siem steht für eine schnellere Art von Golf

München. Als Golfprofi Marcel Siem am Sonntagmittag bei den BMW International Open in München am ersten Abschlag stand, sah er, dass er bereits gewonnen hatte. Nicht das Turnier zwar, aber sichtbar an Reputation. Denn trotz Nieselregens war die 395 Meter lange Par-4-Spielbahn bis hinauf zum Grün mit Zuschauern gesäumt.

Noch nie in seiner dreijährigen Profikarriere hatte der 23-jährige Düsseldorfer vor der Finalrunde eines Turniers der European Tour, der höchsten europäischen Golf-Spielklasse, auf Platz zwei gelegen. Am Sonntagmittag war Marcel Siem – vor Bernhard Langer und Alexander Cejka – der bestplatzierte deutsche Teilnehmer in München-Eichenried, am Ende wurde er Achter. In der Golf-Szene galt Siem bis dato als ein äußerst talentierter Spieler. Aber auch als einer, dem die nötige Ruhe auf dem Platz fehlt. Siem habe einen eigenwilligen Charakter, so hieß es oft, er sei unbeherrscht, unkonzentriert, und dies spiegele sich in der mangelnden Konstanz guter Resultate wider.

In diesem Jahr hat sich Siem erstmals direkt für die European Tour qualifiziert, dafür musste er bis zum Ende der Saison unter den besten 125 Spielern der europäischen Geldrangliste platziert sein oder ein Turnier gewonnen haben. In München kassierte er immerhin 40 440 Euro und verbesserte sich damit von Platz 103 auf Rang 87 der Geldrangliste. „Ich habe die Qualifikation gepackt“, jubelte Siem nach seinem guten Abschneiden vom Wochenende.

Für dieses Ziel hat Marcel Siem sein Verhalten geändert. Vor kurzem wurde seine Schlägertasche noch von zwei Kumpels getragen, seit Anfang August hat er einen neuen Caddie: Der Tour-erfahrene Österreicher Max Zechmann hat Siem in kurzer Zeit ein taktisches, ruhigeres Golfspiel beigebracht. Ein Fortschritt – auch wenn Siem noch etwas Rückstand hinter den besten deutschen Golfern hat. Bernhard Langer und Cejka haben dem jungen Siem noch einiges an Erfahrung und Erfolgen voraus. Dennoch setzt Siem einen Trend. Er ist Deutschlands prominentester Vertreter eines neuen Verständnisses vom Golfsport.

Ausgehend von Großbritannien und Schweden – in diesen Ländern ist Golf Volkssport – interessieren sich auch in Deutschland immer mehr Jugendliche für das Golfspiel. Die neue Generation der Profigolfer spielt aggressives, schnelles Golf mit großen Reichweiten, sie stählt ihre Körper im Fitnessstudio und pflegt einen Kleidungsstil, der sich deutlich von den konservativen Outfits älterer Spieler abhebt. Als Könige dieser neuen Garde gelten der im schicken Sixties-Retrostyle spielende Schwede Fredrik Jacobson und der Engländer Ian Poulter, der seine gefärbten Haare in Form einer Ananas geschnitten trägt.

„Gefärbte Haare habe ich mit 15, 16 schon gehabt“, sagt Marcel Siem, der seine blonden Locken aktuell zu einem Kurzzopf zusammengebunden hat. „Ich denke, dass es gerade im deutschen Golfsport wichtig ist, eine neue Ära zu begründen.“ Natürlich werde das angestaubte Image der Sportart nur langsam reformiert werden können. „Aber dass sich etwas tut, das ist meine kleine Mission.“

Thomas Lötz

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