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Sport: Einsam übers Eis

Welche Folgen der Verzicht der Eisläuferinnen auf den Teamwettbewerb hat

Berlin - Das Wochenende ist für Anni Friesinger und Daniela Anschütz versöhnlich zu Ende gegangen. Beim Eisschnelllauf-Weltcup in Berlin belegte Friesinger am Sonntag über 3000 Meter in 4:06,28 Minuten Platz drei. „So schnell bin ich in Berlin noch nie über diese Strecke gelaufen“, sagte die Olympiasiegerin aus Inzell. Daniela Anschütz aus Erfurt belegte in persönlicher Bestzeit Platz vier (4:07,33). Nur Claudia Pechstein enttäuschte. 4:07,65 Minuten, Platz fünf. „Ich laufe derzeit in den Kurven sehr schlecht“, sagte die 32-Jährige.

Mit ihren Leistungen über 3000 Meter konnten aber auch Friesinger und Anschütz das Gesamtbild der deutschen Eisschnellläuferinnen nicht zurechtrücken. Vor allem die Funktionäre mussten Abwehrarbeit leisten. Günter Schumacher etwa schaute fast flehentlich unter seiner Baseballkappe hervor. Versteht ihn denn keiner? „Wir sind hier nun einmal nicht im Profibereich. Wir können nichts anordnen“, sagte der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) schon zum schätzungsweise siebten Mal. „Und selbst wenn, auch mit noch so vielen Verträgen können sie nichts garantieren.“ Schumacher musste sich in der Eisschnelllauf-Halle des Sportforums Berlin rechtfertigen, warum er egoistischen Stars nicht genügend auf die Füße getreten hatte. War nicht der Teamwettbewerb das mediale Herzstück des Weltcups? Und dann liefen am Samstag Monique Angermüller, Katrin Kalex und Katrin Mattscherodt. Anni Friesinger, Claudia Pechstein, Sabine Völker, Daniela Anschütz, sie alle hatten keine Lust. Sie wollten sich nach ihrem 1500-Meter-Einsatz schonen. Das deutsche Verlegenheitsteam landete auf Platz 13.

„Es hat doch keinen Wert, jemanden laufen zu lassen, der sich nicht fit fühlt“, sagte Joachim Franke, Pechsteins Trainer. Auch Helmut Kraus, der Chef-Bundestrainer der deutschen Eisschnellläufer, sagt: „Ein 1500-Meter-Rennen ist schon anstrengend.“ Das ist die sportliche Sicht der Dinge. Aber es geht um mehr: um die Selbstdarstellung des Verbands, um wertvolle Übertragungszeiten im Fernsehen, vor allem um die Glaubwürdigkeit der Stars. „Mit dieser Situation sind wir nicht glücklich“, sagt Kraus daher. Und Schumacher sagt: „Ein paar Athleten denken zu individualistisch.“

Der Teamwettbewerb wurde international aufgewertet, um Eisschnelllauf attraktiver zu machen. Die Biathleten, die Langläufer, sie alle haben Mannschaftswettbewerbe kreiert, um an die begehrten Fernsehzeiten zu kommen. Und wo könnte sich die deutsche Eisschnelllauf-Szene als Team besser darstellen als bei einem Weltcup in Deutschland, vor den Kameras des ZDF, mit drei Frauen, die Weltspitze verkörpern?

Den vielleicht entscheidenden Satz sagt Joachim Franke: „Der Einzelwettbewerb hat nun mal Priorität vor dem Teamwettbewerb.“ Bei so einem Satz muss sich Helmut Kraus beherrschen. Vor der Saison haben ihm die Stars Friesinger und Pechstein noch begeistert zugesichert, dass sie im Teamwettbewerb die großen Erfolge erreichen wollen: „Mir fehlt, dass die Frauen diese Zusage einlösen.“ Er steht jetzt unter Erfolgsdruck. Im März 2005 findet in Inzell die WM statt, „und wir wollen im Teamwettbewerb Gold. Über etwas anderes lasse ich nicht mit mir reden.“

Nun steigt die Gefahr, dass die Deutschen bei der WM selbst in Bestbesetzung keine Medaille holen. Das Team Friesinger, Pechstein, Völker kann sich vor der WM nur noch einmal im Wettkampf testen, Ende Januar beim Weltcup in Italien. „Im Moment entfernen wir uns von einer Medaille“, sagt Sportdirektor Schumacher. Nur eine deutsche Läuferin hatte nach dem Wettkampf strahlend die Schlittschuhe geschultert. „Teamwettbewerb macht doch immer Spaß“, sagte Monique Angermüller.

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