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Sport: Einsamer Abschied

Schottlands Nationaltrainer Berti Vogts hat genug: Nach zweieinhalb Jahren und immer massiveren Beschimpfungen löst er seinen Vertrag auf

Berti Vogts klingt verschnupft. Er sitzt daheim in seinem Haus in Korschenbroich im Ortsteil Kleinenbroich und kämpft gegen eine Grippe. „Die ständigen Attacken gehen mir auf den Keks“, sagt der 57 Jahre alte Fußballtrainer und meint damit nicht nur die Erkältung. Die Begleiterscheinungen seines Jobs als Nationaltrainer in Schottland gehen ihm auf die Nerven. Jetzt hat er einen Schlussstrich gezogen. Am Montagabend löste der 57-Jährige seinen Vertrag auf, und das nach zweieinhalb Jahren als Cheftrainer des schottischen Verbandes. „Es ist mir sehr schwer gefallen“, sagt er. „Das war nicht mehr tragbar. Ich habe keine Lust mehr, mich permanent für Fehler verantwortlich machen zu lassen, die in der Vergangenheit gemacht wurden.“ Um die finanziellen Dinge bei der Vertragsauflösung kümmerte sich Vogts’ Anwalt Andre Gross. Vogts wird eine Abfindung erhalten. Ob das die kolportierten 750 000 Euro werden, darüber hat sich der Europameister von 1996 keine Sekunde lang den Kopf zerbrochen. „Ich habe hier in Schottland wieder die Freude am Fußball gefunden“, sagt er trotz der als entwürdigend empfundenen Momente, die er zuletzt hatte ertragen müssen.

Die Schotten liegen in der Qualifikationsgruppe 5 zur WM 2006 in Deutschland mit nur zwei Punkten auf dem vorletzten Platz. Er verstehe die Aufregung, weil gute Ergebnisse ausbleiben, sagt Vogts. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Einmal überbrachten schottische Reporter dem Verband sogar Petitionen ihrer Leser. Eine verpackt in einem Sarg mit der Aufschrift: „Schottlands WM- Träume. Ruhet in Frieden“. „Berti macht uns krank“, schrieben sie neben unvorteilhaften Fotos mit seinem Gesicht. Jetzt werden Walter Smith und Gordon Strachan als Nachfolger gehandelt.

Lange predigte Vogts Verband und Fußballanhängern, nur ein solider Neuaufbau der Nationalelf bringe Erfolge. „Das aber dauert. Viele leben hier in der Vergangenheit“, sagt er. Er mahnte vergeblich. Die Botschaft kam in Schottland nicht besonders gut an. Nicht einmal die Fürsprache prominenter Trainerkollegen fand Beachtung. „Einige Leute sollten sich mit Kommentaren über die Arbeit von Vogts zurückhalten und sich vor Augen führen, was für einen Job Berti schon geleistet hat“, sagte Sir Alex Ferguson, der Schotte, der Manchester United zu einem der weltbesten Klubs formte.

Die Fehler in Schottland seien vor zehn bis 15 Jahren gemacht worden, als die Schotten mit ihrem Kampfgeist so manchen Gegner in Angst und Schrecken versetzten, meint Vogts. Heute aber spielten immer weniger Schotten in namhaften europäischen Ligen, sagt er. Von einer Pause nach dem Abgang in Schottland will er nichts wissen: „Ich habe genug Pause in meinem Leben gemacht.“ Zurück nach Mönchengladbach, wo er als Spieler unzählige Erfolge feierte, wird er wohl nicht gehen. „Das ist kein Thema“, sagt Vogts. Auch, weil er sich mit Sportdirektor Christian Hochstätter nicht besonders gut versteht. „Ich wäre für alles offen. Aber auf die Bank würde es mich eher nicht zurückziehen.“

Vorerst pendelt er zwischen Glasgow und Deutschland. Sein Sohn Justin wird die Schule in Schottland abschließen. Auch er selbst will Schottland nicht loslassen, obwohl ihn die abfälligen Artikel und Berichte zuletzt mürbe machten. Berti Vogts bleibt dabei: Schottland hat ihm viel gegeben und auch geholfen, die dunklen Gedanken zu vertreiben, die ihm nach dem Rücktritt als Bundestrainer trotz der Bilanz von nur zwölf Niederlagen in über 100 Spielen und des EM-Titels 1996 zu schaffen machten. Dazu das seltsame Scheitern in Leverkusen, als er als Tabellenvierter gehen musste.

In den vergangenen Wochen hat Vogts oft über die deutsche Nationalelf. gesprochen. Dort steht inzwischen sein ehemaliger Spieler Jürgen Klinsmann als Bundestrainer an der Spitze. Für Klinsmann ist Vogts zu einem väterlichen Freund geworden. „Ich sehe beim DFB im Augenblick keinen Bedarf an neuen Leuten“, sagt Vogts. „Da sind doch inzwischen über zehn Trainer tätig.“ Im Übrigen habe der DFB seine Telefonnummer. Doch bevor Klinsmann anruft, will Vogts daheim in Korschenbroich erst mal seine Grippe auskurieren.

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