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Sport: Eisbär für die Ewigkeit

Sven Felski beendet seine große Eishockeykarriere nach 1000 Spielen – seinem Klub bleibt er erhalten.

Von Katrin Schulze

Berlin - Das Ende mag nicht recht in diese Geschichte passen. Nie hat er sich von anderen etwas vorschreiben oder sich den Mund verbieten lassen. Und auch wenn er mit seiner aufmüpfigen Art aneckte, ja beinahe sogar seinen Rausschmiss provozierte, war immer er es, der bestimmte. Sven Felski sagte wann, er sagte wo und er sagte wie. Nur jetzt nicht.

Jetzt sitzt Sven Felski im Nadelstreifenanzug da und kämpft mit den Tränen. „Das hier ist der schwerste Tag meiner Karriere“, bringt er gerade so hervor. „Aufgrund von ärztlichen Attesten muss ich meinen Rücktritt bekannt geben. Das Risiko weiterzuspielen, ist einfach zu groß.“ Sein Knie macht nicht mehr mit. Es ist schuld daran, dass der 37 Jahre alte Stürmer Schluss machen muss mit dem Leistungssport; nach exakt 1000 Profispielen für immer denselben Klub, der früher einmal SC Dynamo hieß und sich heute EHC Eisbären Berlin nennt.

Dass jemand sein ganzes Leben in einen Verein steckt, ist im Sport ebenso selten geworden wie Geschichten von souveränen, unangepassten Profis. Beides fällt im schnelllebigen Geschäft mit Spielen und Spielern aus dem Rahmen. Felski aber steht oder stand noch für das, was viele im Sport zunehmend vermissen, und zwar nicht erst, seit die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine 0:4-Führung verschludert hat. Einen Typen, einen Leader, einer, der die anderen mitzieht, auf- und, wenn nötig, wachrüttelt. Das ist im Fußball nicht anders als im Eishockey.

Trainer mögen folgsame, ehrgeizige und formbare Typen. Sven Felski mochten einige Trainer nicht. Auf der Spielfläche hat er sich mehr Strafen eingehandelt als alle anderen, abseits vom Eis hat er geredet, wenn ihm etwas nicht passte. Innige Freundschaften haben sich so zwischen seinen Vorgesetzten und ihm selten entwickelt, Pierre Pagé, der den ersten gesamtdeutschen Meistertitel nach Berlin holte, wollte Felski am liebsten rausschmeißen. Und Pagés Nachfolger Don Jackson hat auch nie verheimlicht, dass er andere Spieler für fähiger hält, wofür er von Felski schon mal ein paar flotte Sprüche erntete.

Wer sich öffentlich über den Chef erregt, sich ab und zu auch mal eine Zigarette und ein Bierchen dazu gönnt, wird kaum zum Musterprofi taugen. Sehr wohl allerdings zum Liebling der Fans – allein schon wegen dieser Geschichte in der Geschichte. Sven Felski hat sie mitgemacht, die Wende im Eishockey. Den Weg vom mittellosen ollen Kiezklub zur erfolgreichsten Eishockeymannschaft Deutschlands, von einer muffigen Hütte, die sie Wellblechpalast nannten, in eine riesige Mehrzweckhalle mitten in Berlin. Aus dem tiefsten Osten heraus bis ins Zentrum der Hauptstadt. „Kein anderer Sportler hat mehr für den Klub und die Stadt getan als Sven Felski“, sagt der Geschäftsführer der Eisbären, Billy Flynn.

Vier Jahre war Sven Felski jung, als er zum ersten Mal ins Sportforum zu Hohenschönhausen stiefelte, er wohnte ja in der Nachbarschaft. Seine Eltern wollten, dass er Eiskunstläufer wird, doch mit der Kunst hatte es der kleine Felski nicht so. Was blieb, war sein Talent auf Kufen. „Keiner in der Liga kann so gut Schlittschuh laufen wie ich“, hat Sven Felski einmal über Sven Felski gesagt. Ja, der Berliner war (vor-)laut, er war aber immer auch loyal. Mehrmals hätte er zu anderen Vereinen, auch nach Nordamerika, wechseln können. Und trotzdem ließ er sich bei den Eisbären lieber in hintere Reihen degradieren, als für einen anderen Klub aufs Eis zu laufen. Aufgeben konnte er nicht.

Jedes Mal, wenn Felski in den vergangenen Jahren danach gefragt wurde, wann er denn nun aufhören wolle und ob er nicht langsam zu alt sei für seinen Sport, zog er seine rechte Augenbraue nach oben, als wollte er sagen: was für eine dumme Frage. Ginge es nicht nach den Ärzten, die eine akute Instabilität seines linken Knies diagnostizierten, sondern nach Felski, hätten es noch mehr als die 1000 Spiele und sechs Meistertitel für die Berliner sein sollen. „Ich liebe diesen Sport nicht nur, ich lebe ihn“, sagt er. „So einfach kann man nicht ablassen davon. Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass mir die Entscheidung abgenommen wurde.“

Wie es nach dem Ende dieser einen Geschichte weitergeht, scheint nur zu logisch. Im Management oder in der Nachwuchsarbeit wird Sven Felski bei seinem alten Verein neu anfangen. Sein Trikot mit der Nummer elf wird nicht mehr vergeben werden, sagt die Vereinsführung. Und dann gibt es noch ein Geschenk für die Ewigkeit: ein Abschiedsvideo von den Fans. 20 Jahre gebündelt in zwei Minuten, die den 37 Jahre alten Eishockeyprofi zu schaffen machen.

Ganz am Ende seiner Karriere zeigt Sven Felski sich dann doch einmal – sprachlos. Katrin Schulze

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