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Henry Haase hat sich in der Verteidigung der Eisbären vorerst festgespielt.

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Eisbären Berlin in der Krise: Verwende deine Jugend!

Der deutsche Eishockeymeister Eisbären Berlin muss in der Krise auf den Nachwuchs setzen. Was derzeit noch wenig Erfolg versprechend scheint, könnte sich perspektivisch lohnen.

Es ist noch gar nicht lange her, da beklagten die Eisbären Berlin unglückliche Niederlagen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und ärgerten sich über verschenkte Punkte im Kampf um einen Play-off-Platz. Nach dem Auswärtsspiel am Dienstag bei den Hamburg Freezers hielt sich der Frust jedoch in Grenzen. Spieler und Verantwortliche des Deutschen Meisters wirkten beinahe schon zufrieden. Die Mannschaft hatte beim Tabellenführer der DEL "nur" 0:3 verloren, spielte über weite Strecken diszipliniert und kämpfte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Die allerdings sind bei den Berlinern derzeit überschaubar.

Das Team erinnert in seinem Auftreten an Eisbären-Mannschaften von vor 20 Jahren, als eine halbwegs knappe Auswärtsniederlage bei einem Favoriten schon als Erfolg gewertet wurde. Aus der sportlichen Misere in dieser Saison ist längst eine ausgewachsene Krise geworden. Und ein Ende scheint nicht absehbar. In der Tabelle trennen die Berliner vor dem Spiel am Freitag gegen die Adler Mannheim (19.30 Uhr, Arena am Ostbahnhof) 15 Punkte von einem direkten Play-off-Platz, aber nur noch fünf von Rang elf. Der würde nicht einmal die Teilnahme an den Pre-Play-offs erlauben.

Zuletzt hat das Team von Trainer Jeff Tomlinson vier Mal in Folge verloren, das Toreschießen fällt ihm chronisch schwer und dann sind da auch noch die vielen Verletzten. Acht Stammspieler fehlten zuletzt in Hamburg und auch wenn gegen Mannheim Constantin Braun, Shawn Lalonde und Mads Christensen zurückkehren könnten, gibt es deshalb vor den kommenden Aufgaben keinen Anlasse, in Euphorie zu verfallen.

Doch wo viel Schatten ist, gibt es manchmal auch ein wenig Licht.

In Hamburg standen bei den Eisbären sieben Spieler auf dem Eis, die jünger als 22 Jahre alt sind. Und erstmals in der Saison kamen alle Talente tatsächlich auch auf nennenswerte Einsatzminuten und schauten dem Spiel der Älteren nicht nur interessiert von der Bank aus zu. Im letzten Drittel mischte Tomlinson seine Reihen munter durch, ließ bei jedem Wechsel zwei erfahrene Stürmer mit einem Youngster auflaufen. Ein Rezept auch für die nächsten Spiele? „Klar ist das eine Möglichkeit“, sagte Kapitän Barry Tallackson und lobte die jungen Kollegen dafür, dass sie das Spiel der Eisbären bei den Freezers in der Schlussphase „noch einmal beleben“ konnten.

Gegen Mannheim soll der 19-jährige Sven Ziegler an der Seite von Tallackson und Olver auflaufen

Auch der Trainer war angetan von seinen Nachwuchskräften. „Ich bin sehr zufrieden damit, wie unsere jungen Leute gespielt haben“, sagte Tomlinson und kündigte am Donnerstag an, den 19-jährigen Sven Ziegler in einer Sturmreihe mit Tallackson und Darin Olver auflaufen zu lassen.

Inzwischen scheint der Eisbären-Trainer aus der Not eine Tugend machen zu wollen – und damit langfristig genau das anzugehen, was dem Verein in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr gelungen war: Junge Spieler nicht nur an die Mannschaft heranzuführen, sondern sie dauerhaft im Profiteam zu integrieren. Beispiele gibt es dafür eine ganze Reihe. Der 19-Jährige Jonas Schlenker erzielte vor anderthalb Wochen sein erstes Tor in der DEL und überzeugte auch in Hamburg mit einigen gelungenen Angriffsaktionen. Und mit der Zahl der Einsätze steigt sofort das Selbstvertrauen. „Ich fühle mich schon als fester Bestandteil des Teams“, sagt Schlenker, weiß aber auch: „Ich muss noch viel an mir arbeiten. Aber durch jedes Training und jedes Spiel kann ich natürlich viel von den erfahrenen Leuten lernen.“ Das macht ihn zu einer unerwarteten Option für den Trainer. „Er ist einer von diesen Spielern, mit denen du vor einer Saison nicht planst, der dann ins Team kommt und so gut es geht versucht, die Möglichkeit zu nutzen.“

Noch einen Schritt weiter ist in dieser Beziehung Verteidiger Henry Haase. „Er hat in den vergangenen Wochen einen großen Sprung gemacht“, bescheinigt ihm Tomlinson. Inzwischen spielt der 20-Jährige sogar regelmäßig in Über- und Unterzahl. Mit seinem 21-Jährigen Defensiv-Partner Alex Trivellato hat er sich in der Mannschaft festgespielt. Ansprüche stellt Haase deswegen aber keine. „Ich denke von Tag zu Tag und muss mich einfach weiter anbieten. Dann werden wir sehen.“ Offensichtlich ist Haases körperliche Präsenz auf dem Eis und das gewachsene Selbstvertrauen daneben. Doch die jüngsten Ergebnisse nagen auch an ihm: „Klar, ist unsere Mannschaft sehr jung. Aber wir sind trotzdem gut genug, um zu gewinnen. Nur müssen wir das auch mal zeigen“, fordert Haase.

Noch haben es die Eisbären in der eigenen Hand, die aktuelle Saison halbwegs versöhnlich abzuschließen. Dabei sind die folgenden Spiele gegen Mannheim, in Krefeld, gegen Wolfsburg und danach in Augsburg und Köln womöglich schon richtungweisend. „Wir müssen auf uns schauen und punkten“, sagt Tomlinson. Inzwischen aber schaut der Trainer nicht mehr nur auf das nächste Spiel, sondern schon weiter: „Bei allen Problemen im Moment geben die jungen Leute Anlass zur Hoffnung. Das macht uns als Verein definitiv stärker. Und wenn wir jetzt in mehr Eiszeit für die jungen Spieler investieren, werden die uns das irgendwann zurückzahlen.“

Vielleicht nicht in dieser Saison, aber womöglich schon in der nächsten. Und damit hätten die Berliner langfristig mehr erreicht, als sie derzeit in ihrem verzweifelten Versuch der Krisenbewältigung zugeben wollen.

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