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Eisbären: Der alte Mann und das Eis

Eisbären-Stürmer Stefan Ustorf spielt mit 36 noch frisch, fühlt sich aber wie 47.

Berlin - Aufwachen macht Stefan Ustorf wenig Spaß. Morgens spürt er all seine schmerzenden Knochen. „Da fühle ich mich verdammt alt“, sagt er. Stefan Ustorf lächelt. Kurz erlaubt das den Blick auf einen in der Mitte zahnfreien Oberkiefer. „Körperlich bin ich 47. Zum Glück fühle ich mich geistig jünger.“ 36 Jahre, so alt ist der Angreifer der Eisbären Berlin seit Sonntag. Was seinen Körper betrifft, stapelt er tief. An seinem Geburtstag bewies er mit einem Treffer beim 6:3 des Tabellenführers der Deutschen Eishockey-Liga gegen Krefeld einmal mehr, wie wichtig er für den Deutschen Meister ist.

Diese Saison spielt Ustorf vor allem mit Jeff Friesen und Travis James Mulock zusammen. Der kanadische Starimport der Berliner und der junge eingedeutschte Stürmer profitieren vom akribischen Arbeiter Ustorf, der fast immer weiß, wo er hinlaufen muss. „Gegen Krefeld war das wieder einmal meine beste Sturmreihe“, sagt Eisbären-Trainer Don Jackson. Ustorf sei eine flexible Konstante, sagt Peter John Lee, Manager der Eisbären. „Den Stefan kannst du mit jedem zusammenspielen lassen, der funktioniert immer.“

Das ist das Geheimnis von Stefan Ustorf. Er funktioniert, auch wenn sein Körper eigentlich nicht mehr funktionieren sollte. Vor knapp zehn Jahren, da spielte er in Mannheim, schien seine Karriere schon am Ende. „Da hatte ich meine Hand gebrochen und etliche Bänder gerissen“, erzählt er. „Vier Ärzte haben mir gesagt, ich könne keinen Sport mehr machen. Der fünfte Arzt hat mir gesagt: ’Solange du noch kannst, spiele halt.’“ Eishockeyspielen kann Stefan Ustorf fast immer. Im Februar vergangenen Jahres traf ihn ein Puck mitten im Gesicht. Acht Zähne verlor er, dazu kam ein Unterkieferbruch. Sechs Wochen später in den Play-offs stand er wieder auf dem Eis.

Es ist die Zuverlässigkeit, die sie bei den Eisbären schon im fünften Jahr an Stefan Ustorf schätzen. Der gebürtige Allgäuer ist das Muster-Exemplar des erfahrenen Spielers, das die Berliner so stark macht. Er ist das deutsche Pendant zu den Kanadiern Denis Pederson und Steve Walker. Ustorf ist nicht nur Vorbild für die jüngeren Spieler, sondern auch ihr Konkurrent. „Unsere Mannschaft ist auch so stark, weil es intern einen großen Kampf gibt“, sagt Ustorf. „Die Jungen drücken inzwischen, wir älteren Spieler wollen unsere Plätze eben nicht einfach aufgeben.“

Das Resultat ist erstaunlich: Die Eisbären habe vor ihrem heutigen Spiel bei den Augsburg Panthern zehn Mal in Folge gewonnen, führen die Tabelle mit 18 Punkten Vorsprung an. Der erste Platz sollte 13 Spieltage vor Ende der Hauptrunde vergeben sein. Was macht so eine Mannschaft, damit es einem vor den Play-offs nicht langweilig wird? „Ganz einfach: Wir bereiten uns schon auf die Play-offs im März vor, stellen uns in jedem Spiel kleine Aufgaben“, erzählt Stefan Ustorf. „Da geht es dann darum, wie wir mit bestimmten taktischen Eigenarten des Gegners umgehen.“

So robust Ustorf mit seinem Körper auch umgehen mag, so akribisch geht er mit seinem Werkzeug um. „In jeder Drittelpause umwickle ich meine Schlägerkelle neu mit Isolierband. Ich kann es nicht leiden, wenn da auch nur ein kleiner Kratzer drauf ist“, sagt er. Sein Schläger ist von der Marke „Warrior“, eine hämmernde Metaphorik. Ustorf, der harte Krieger. Er ist Profi der alten Schule, einer, der sich in den Schuss wirft und die Konsequenzen nicht fürchtet. Als er damals den Puck an den Kiefer bekam, hatte er nichts Besseres zu tun, als seine ausgefallenen Zähne vom Eis aufzusammeln. Warum tut sich ein Mensch all das freiwillig an? „Ich freue mich auf jedes Training, auf jedes Spiel. Ich habe einen Beruf, der mich erfüllt.“ Er spiele nicht Eishockey, um seinen Körper zu ruinieren, sondern einfach weil es ihm Spaß mache.

Bei den Eisbären steht Stefan Ustorf noch bis Ende kommender Saison unter Vertrag. Der zahnfreie Oberkiefer blitzt, Ustorf lacht. Es könnte danach auch noch weitergehen. Solange der Körper mitmacht.

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