zum Hauptinhalt
Liebe Eisbären. Beim deutschen Eishockeymeister stimmen in dieser Saison zwar bei den Heimspielen die Stimmung und die Zuschauerzahlen, sportlich liegt dafür Einiges im Argen, wie sich am Sonntag beim 4:6 gegen Krefeld wieder zeigte.

© Kitty Kleist-Heinrich

Eisbären in der Krise: Wer hat noch Angst vorm weißen Bären?

Wenige Siege, viele Gegentore, eine magere Bilanz nach 20 Spieltagen – bei den Eisbären spricht alles für eine substanzielle Krise. Hier erklären wir die Gründe dafür

Die Ansprache von Don Jackson in der Kabine der Eisbären nach der 4:6-Pleite gegen Krefeld am Sonntag war knapp. „Das war nicht gut heute“, sagte der Trainer. „Wir sehen uns am Montag auf dem Eis“ – zum Straftraining. Eigentlich hätten die Eisbären am Montag freigehabt. Mit düsterer Miene eilte Jackson am Montag nach dem Training in die Kabine. Zuvor hatte er angedeutet, dass sich einiges ändern werde und „alles ist möglich“ gesagt. Danach hielt Kapitän Stefan Ustorf auf dem Eis noch eine Ansprache an die Mitspieler. Tatsächlich hat der fünfmalige Deutsche Meister in dieser Saison einige strukturelle Probleme:

Die Alten. Stefan Ustorf müsste das Team anführen, so wie in den Play-offs der vergangenen Saison. Jackson sagt: „Der Kapitän muss der beste Mann auf dem Eis sein, die anderen mitziehen können.“ Davon ist Ustorf zurzeit weit entfernt. Ähnlich verhält es sich mit seinem Sturmpartner André Rankel, der ist allerdings erst 26 Jahre alt. Bei den einstigen Leistungsträgern ist es anders: Ustorf wird 38 Jahre alt, Sven Felski ist 37. Bester Stürmer der Eisbären in der Plus-Minus-Statistik, in der die Gegentreffer und die selbst erzielten Tore, bei denen ein Spieler auf dem Eis steht, aufgerechnet werden, ist Laurin Braun. Doch der 20 Jahre alte Angreifer bekommt zu wenig Einsatzzeit von Jackson.

Die Neuen. Nach der vergangenen Saison haben die Eisbären ihren besten Verteidiger und Topscorer Derrick Walser verloren – Nick Angell wurde als Ersatz für den Kanadier geholt. Der auf dem Eis viel zu behäbig wirkende US-Amerikaner hat aber nicht die Mittel, um Walser ersetzen zu können. Im Angriff gingen Steve Walker, Jeff Friesen (beide Karriereende) und Alexander Weiss (Köln). Es kamen Barry Tallackson, Darin Olver und Julian Talbot. Die aus Augsburg geholten Tallackson und Olver schießen zwar viele Tore, aber wenn es darum geht, die Mitspieler mitzuziehen, verstecken sie sich. Jackson sagt: „Du hast ein Problem, wenn die Topscorer nicht deine Anführer sind.“ Die beiden Nordamerikaner sind keine Anführer, genauso wenig wie Talbot, der seinen Job in der dritten Reihe zwar zuverlässig aber auch unspektakulär erledigt.

Der Anführer. Denis Pederson ist laut Trainer Jackson der „Big Daddy“ der Eisbären. Der Papi kämpft nach einem Kreuzbandriss verzweifelt um sein Comeback. Er wäre wichtig für die Eisbären. Denn einen Anführer brauchen sie dringend, und den könnte selbst ein angeschlagener Pederson spielen. Sonst ist Manager Peter John Lee gefordert – um Qualität hineinzuholen.

Lesen Sie auf Seite 2, welchen Anteil Trainer Don Jackson an der Krise hat.

Ratlos. Nick Angell und Frank Hördler.
Ratlos. Nick Angell und Frank Hördler.

© Kitty Kleist-Heinrich

Der Nachwuchs. Fast alle deutschen Spieler wurden noch von Jacksons Vorgänger Pierre Pagé in das Team integriert. Hier offenbart sich das größte Versäumnis der Berliner, bis auf den momentan verletzten Verteidiger Dominik Bielke und Laurin Braun hat unter Jackson kein junger Spieler den Sprung in den Profikader geschafft. Dafür haben in der Ära Jackson große Talente wie Christoph Gawlik und Alexander Weiß den Klub verlassen.

Das Spielsystem. Wenn das Spiel der Eisbären funktioniert, sind sie kaum zu stoppen. Das ist aber in dieser Saison selten der Fall. Der 6:1-Sieg gegen Hannover war eine Demonstration der Stärke, liegt aber mittlerweile schon über einen Monat zurück. In den vergangenen Spielen schien die Mannschaft aufgrund der eigenen Ansprüche zunehmend zu verkrampfen. Zwar versuchte sie, ihr druckvolles Offensivspiel aufzuziehen, das aber oft umständlich und langsam. Der Ertrag blieb überschaubar, gleichzeitig häuften sich Kontermöglichkeiten für die Gegner. „Wir müssen defensiv solider spielen, statt in Schönheit zu sterben“, sagt Ustorf. Im Moment stehen sich die Eisbären zu oft selbst im Weg. Jackson fordert: „Wir müssen einfacher spielen.“ Also auf die Weise, mit der die schwächer besetzten Krefelder die Berliner am Sonntag klar besiegten. Da die Eisbären zwar ihre Defizite grundsätzlich erkannt haben, sie aber nicht abstellen können, sind sie für ihre Gegner derzeit leicht auszurechnen – und auch mit recht überschaubaren Mitteln zu schlagen.

Die Einstellung. Das wird schon werden – mit dieser Maxime kurven die Eisbären oft über das Eis. In der Vergangenheit ist es ja auch oft gegangen, in sieben Jahren gab es fünf Meistertitel. So wie es derzeit aussieht, sind allerdings Zweifel angebracht, dass die Eisbären noch in Fahrt kommen: Zwar sind die Probleme offensichtlich, konstruktive Lösungen allerdings nicht. Sich nur auf den Ruhm der Vergangenheit zu verlassen, könnte zu einem bösen Erwachen führen.

Der Trainer. Vorbei sind die Zeiten, als die Spieler der Eisbären ihren Coach noch „Donni“ nannten. Im fünften Jahr ist Don Jackson nun bei den Eisbären. Nur sein Vorgänger Pagé hat es fünfeinhalb Jahre und damit länger bei den Berlinern ausgehalten, erreichte allerdings in seiner sechsten Saison die Mannschaft nicht mehr und verpasste die Play-offs. Bei Jackson droht eine ähnliche Situation: Immer häufiger kritisiert der US-Amerikaner seine Spieler, und nun bat er sogar erstmals in seiner Amtszeit zum Straftraining. Dass Jackson es nun mit so harten Maßnahmen versucht, wirkt fast schon hilflos.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false