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Kurz vor dem Spiel in der Umkleidekabine der Eisbären: Robbi Haschker (rechts) im feinen Zwirn, Bullys Maskottchenkörper im Trikot daneben.

© Mike Wolff

Eisbären-Maskottchen: Der weiße Riese von Friedrichshain

Unter dem Kostüm des Eisbären-Maskottchens stecken abwechselnd zwei Männer. Ein Tag mit „Bully“ in der Arena am Ostbahnhof.

Zwei Herzen schlagen in Bullys Brust. Nicht zur gleichen Zeit natürlich, obwohl in dem Fell des rundlichen Eisbären sicherlich genug Platz für zwei ausgewachsene Männer wäre. Doch was niemand in der Arena am Ostbahnhof sieht: Im Kostüm des Maskottchens des Berliner Eishockey-Teams steckt nicht immer dieselbe Person. Denn das Tier hat an einem Heimspielabend einen vollen Terminkalender. Da will vor dem Spiel ein Auto gewaschen werden und auf dem Weg zum Parkplatz streckt sich ein Spalier von Händen aus der Fankurve. Die muss der 1,90 Meter große Bär mit seiner Pranke abklatschen. Das ist inoffizieller Teil seiner Stellenbeschreibung. Die Ordner an den Türen bekommen einen Schulterklopfer, während die Fans auf dem Parkplatz von dem weißen Riesen wissen wollen: „Wer wird heute gewinnen?“ Was für eine Frage! Bully zeigt mit seinen bekrallten Daumen auf seine Brust, über die sich ein Eisbären-Trikot mit der Nummer 01 spannt – eine Sonderanfertigung, die so einige verräterische Details verbirgt.

Versteckt bleibt vor den Augen der Fans der überstehende Fellkragen des Bärenkopfs und das, was sich darunter verbirgt. Zurück in der Kabine, greift Bully mit beiden Pranken an seinen Kopf und zieht die fellige Kugel mit der weit aufgerissenen Schnauze nach oben. Zum Vorschein kommt ein verschwitzter Kopf, an dem die Haare kleben. Martin Cornelius ist der Mann im Bären, zumindest bei den Ausflügen außerhalb der Eisfläche. Bully sein ist anstrengend, deshalb teilen sich zwei Personen den Job. „Mit dem Umzug vom Welli in die Arena am Ostbahnhof sind die Aufgaben des Bären gewachsen“, sagt Robbi Haschker später, der zweite Mann im Bären. Er übernimmt die Parts auf dem Eis kurz vor Anpfiff und – wenn die Eisbären gewinnen – bei der Ehrenrunde nach dem Spiel. Auch am heutigen Freitag soll das wieder so sein, wenn es gegen den ERC Ingolstadt (19.30 Uhr) geht.

Jetzt dauert es bis zum Spielbeginn aber noch über eine Stunde. Martin Cornelius kann zehn Minuten verschnaufen, dann geht es weiter. Schnell den Kopf wieder aufgesetzt und die Handschuhe angezogen, schon wird aus einem Menschen ein halbechter Eisbär. Bully beugt sich herunter zu Marika Wirks, der Chefin des Bully-Betreuerteams. Die kleine blonde Frau stopft dem Bären gründlich das Fell unter das Trikot und macht dann einem kleinen Bären Beine.

Samuel ist elf Jahre alt und wurde beim Eisbären-Nachwuchs als „Bully Bambini“ mit der Rückennummer ½ rekrutiert. Munter plappert er vor sich hin und vergisst dabei fast, sich anzuziehen. „Nicht quatschen“, kommandiert Wirks, deren Sohn selbst mal Bully Bambini war, bis er aus dem Kostüm herausgewachsen war. Sie stülpt dem Kind den Bärenkopf über. Außerhalb der Kabine sind die Bullys immer mit Begleitung unterwegs, „falls denen mal ein Besoffener am Schwanz zupft“, erklärt Wirks. Die beiden Bären tapsen schwerfällig in die Lobby, um auch die kleinen Fans zu begrüßen und Autogramme zu geben.

Robbi Haschker gibt seit 13 Jahren den Bully

„Sprechen kann der Bär nicht, dafür aber schreiben“, sagt Robbi Haschker. Er ist gleichzeitig Fankoordinator und wuselt noch bis kurz vor seinem Auftritt durch die Katakomben der Arena oder moderiert das Warm-up vor dem Einlaufen der Spieler. Dann muss es aber schnell gehen: Gerade ist Martin Cornelius aus der Vorhalle zurückgekommen und schält sich aus dem Kostüm. Der Geruch von Schweiß weht durch die Umkleidekabine. Nun eilt Haschker herein, schnell zieht er sich den Nadelstreifen aus. Über den schwarzen Einteiler streift der 39-Jährige dicke Polster, die das weiße Kostüm ordentlich ausfüllen und ihn zu einem runden, imposanten Bärenkörper machen. Einen Typen wie Haschker, tätowiert, gepierct, die Haare an den Seiten kurzgeschoren und oben zurückgegelt, würden wohl die wenigsten Fans in dem Kostüm mit den Knopfaugen vermuten.

Auf dem Fernseher, der an der Wand der Kabine hängt, sieht man bereits die Spieler beim Einlaufen, darüber läuft die Zeit auf einer Digitaluhr. Rückwärts. „Wo ist mein Trikot? Was ist denn los heute?", fragt Haschker gestresst. Wirks reicht ihm das blaue Leibchen, eine extra große Anfertigung für das Maskottchen, setzt ihm den Kopf auf und führt den Trupp hinaus, vorbei an der Umkleidekabine, aus der gerade Don Jackson kommt. Der Trainer läuft zwischen großem und kleinem Bären zur Spielerbank an der Bande. Das Eisbärenlied dröhnt durch die Halle, Raketen zischen durch die Luft und ziehen bunte Funkenschweife hinter sich her. Als das Feuerwerk abgebrannt ist, beginnt die Showtime für die Maskottchen: Die Bande öffnet sich, die beiden Bären kurven elegant übers Eis, animieren die Fans zu La-Ola-Wellen und bauen sich zur Begrüßung unter den Fängen des aufblasbaren Eisbärenkopfes am Eingang auf.

„Wir können von allen Maskottchen in der DEL am besten Schlittschuh laufen“, behauptet Haschker später, der selbst jahrelang aktiv bei den Eisbären war, ehe er vor 13 Jahren als Student zum ersten Mal den Bully gab. Das Kostüm war damals noch gelb, die Farbe des Sponsors. Mittlerweile strahlt es weiß wie Schnee. Heiß wird den Maskottchen trotzdem. „Wir haben mal bei einer Messe fast zwei Stunden darin verbracht und danach ein Thermometer reingehalten“, erzählt Haschker. 50 bis 60 Grad habe man damals gemessen.

Anpfiff, für die anderen Eisbären beginnt erst jetzt die Arbeit. Hascher taucht aus dem Bärenkostüm hervor, sein Kopf knallrot, er hechelt und will sich schnell umziehen. „Ich muss mich nu wieder uffhübschen gehen“, sagt er. Aber die Mühe ist umsonst, er muss heute Abend noch mal ran. Denn Bully hatte recht: Die Eisbären gewinnen.

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