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Auf ein Neues in Südkorea. Deutschlands Yasin Ehliz (l.) und US-Angreifer Sean Backman von den Eisbären Berlin trafen zuletzt beim Deutschland-Cup aufeinander. Bei Olympia könnten sie sich wiedersehen.

© Peter Kneffel/dpa

Eishockey bei Olympia: Ein Turnier steigt ab

Der olympische Wettbewerb im Eishockey droht nach der IOC-Entscheidung zum russischen Staatsdoping zur Farce zu werden.

Die Olympischen Spiele sind der Traum eines jeden Sportlers – normalerweise. Für die besten Eishockeyspieler aus aller Welt gilt das im kommenden Februar allerdings nur bedingt. Träumen dürfen sie, mitmachen aber nicht. Zunächst hatte es die National Hockey League (NHL) abgelehnt, für Olympia eine Spielpause einzulegen. Damit werden erstmals seit 1994 keine Stars aus der besten Liga der Welt um Gold, Silber und Bronze bei den Spielen kämpfen. Nach der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vom Dienstag, russische Sportler nur unter neutraler Flagge in Pyeongchang an den Start gehen zu lassen, könnte das olympische Eishockeyturnier nun endgültig zu einem Trauerspiel verkommen. Denn die zweitbeste Liga der Welt, die russische Kontinental Hockey League (KHL), hatte für diesen Fall schon vor einigen Wochen angekündigt, keine Spieler für das olympische Turnier abzustellen.

Noch ist diesbezüglich keine endgültige Entscheidung gefallen und der russische Topstar Ilja Kowaltschuk soll Wladimir Putin in einem Brief sogar darum gebeten haben, in Südkorea spielen zu dürfen. Trotzdem überwiegen die Zweifel, ob genügend Russen die Motivation aufbringen können, in einem Team mit dem sperrigen Namen „Olympische Athleten aus Russland“ (OAR) in Südkorea anzutreten. „Ich kann mir das kaum vorstellen. Ich glaube eher, dass es keine russische Mannschaft gibt“, sagte Eisbären-Trainer Uwe Krupp vor dem Auswärtsspiel seines Teams am Freitag bei den Straubing Tigers (19.30 Uhr).

Wenn sich die Russen stur stellen, hätte das Turnier plötzlich nur noch elf Mannschaften. Weißrussland steht allerdings schon als möglicher Nachrücker bereit. Die Auswirkungen für die Kader der einzelnen Teams wären aktuell allerdings kaum abzusehen. Denn in der KHL spielen auch zahlreiche ausländische Profis, auf die Teams wie Kanada oder die USA gern zurückgegriffen hätten. Ob die bei einem russischen Eishockey-Boykott bei Olympia starten dürfen, ist allerdings völlig offen.

Die KHL gehört nämlich anders als die NHL der Internationalen Eishockeyföderation (IIHF) an und muss deshalb eigentlich ihre Spieler für internationale Turnier freigeben. Hätte es ein russisches Eishockey-Team in Pyeongchang gegeben, wäre das alles ohne Probleme vonstatten gegangen. Ob das jetzt immer noch so ist, darf bezweifelt werden. Das Interesse an einem Team OAR dürfte bei den KHL-Bossen eher gering ausgeprägt sein und wenn es für Russland kein Eishockey-Gold bei den Spielen zu gewinnen gibt, dann gilt alle Aufmerksamkeit der eigenen Liga.

Ohne NHL- und KHL-Profis würde das Olympia-Turnier zu einer Art Lotterie

Kanadier und US-Amerikaner verfolgen diese Entwicklung mit einigem Interesse. In der kommenden Woche findet in Moskau ein Olympia-Vorbereitungsturnier statt, an dem auch eine kanadische Auswahl teilnimmt. 19 Profis aus der KHL stehen im Aufgebot von Team Canada. In der US-Auswahl, die zuletzt in Augsburg beim Deutschland-Cup dabei war, gab es immerhin sieben KHL-Spieler. Sollten die nun alle nicht für einen Einsatz bei Olympia in Frage kommen, wäre das Rennen um einen Platz im Kader neu eröffnet.

Auch Eisbären-Stürmer Sean Backman registriert deshalb sehr genau, was momentan passiert. „Ich denke, dass meine Chancen auf eine Olympia-Teilnahme durchaus steigen könnten, wenn die KHL keine Spieler nach Pyeongchang fahren lässt“, sagt er. Er wünsche sich allerdings, dass die besten Sportler ihr Land in Südkorea vertreten. Daher hofft er, dass die KHL sich dafür entscheidet, Spieler für alle Länder freizugeben – auch wenn er deshalb womöglich auf das besondere Erlebnis Olympische Spiele verzichten müsste.

Sportlich würde das Turnier ohne NHL-Profis und ohne ein russisches Team egal in welcher Ausprägung zu einer Art Lotterie. Einen klaren Favoriten gäbe es nicht mehr. „Es wird immer noch ein gutes und spannendes Eishockeyturnier, aber es wird natürlich ohne die großen Namen stattfinden“, glaubt Uwe Krupp, der als Bundestrainer zweimal mit Deutschland bei Olympia dabei war. Diesmal hätte die deutsche Mannschaft plötzlich ungeahnte Möglichkeiten, auch wenn nicht gleich ein neues Eishockey-Wunder wie 1976 in Innsbruck zu erwarten ist, als Deutschland Bronze holte.

Und das Olympia immer noch ein Traumziel ist, auch wenn die Stars im Eishockey fehlen, steht für Jonas Müller außer Frage. „Für mich spielt es keine Rolle, ob NHL- oder KHL-Spieler dabei sind. Das Turnier ist auf jeden Fall genauso groß“, sagt der deutsche Nationalspieler der Eisbären.

Noch aber besteht eine kleine Hoffnung, dass zumindest ein Ilja Kowaltschuk oder ein Pawel Datsyuk in Pyeongchang auflaufen werden – schon allein deswegen, weil sie es wollen. Und weil sie endlich einmal olympisches Gold gewinnen könnten. Mit dem russischen Team ist ihnen das in der Vergangenheit trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, in einer Mannschaft Olympischer Athleten aus Russland wären sie bei den Spielen fast konkurrenzlos. Auch wenn sie dabei nicht ihr eigentliches Nationaltrikot tragen könnten und es bei der Siegerehrung weder russische Hymne noch Fahne geben würde.

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