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Traurige Leere. Ein Zuschauerblock in der Arena am Ostbahnhof beim Heimspiel der Eisbären am Sonntag gegen Straubing.

© imago/Nordphoto

Eishockey: Hey, wer will die Eisbären sehn?

Noch 2012 waren Spiele der Berliner ständig ausverkauft – nun kommen weniger Fans. Woran liegt das?

Die Szene hatte etwas Gespenstisches. Die Arena am Ostbahnhof war fast leer, als die Spieler der Eisbären Berlin ihre Ehrenrunde liefen. Nur noch in der Stehkurve mit dem harten Fankern wurde gejohlt. Trotzig jubelte Stadionsprecher Uwe Schumann durch die Lautsprecher, dass am Wochenende auch alle Nachwuchsmannschaften der Eisbären gewonnen hätten. Eine einzige Erfolgsgeschichte also, zumal die Profis ja am Sonntag beim 3:1 gegen Straubing schon ihr drittes von vier Spielen in der neuen Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gewonnen hatten. Nur wollten das nur so wenige Menschen miterleben wie noch nie bei einem Ligaheimspiel der Eisbären: 8923 Zuschauer am an sich familienfreundlichen Sonntagnachmittag – Minusrekord beim einstigen Zuschauerkrösus der Liga, der seit dem Umzug nach Friedrichshain im Jahr 2008 nie weniger als 12 000 Zuschauer im Saisonschnitt hatte.

„Hey, wir woll’n die Eisbären sehn“ singen die Puhdys in ihrer Klubhymne: Stimmt nicht mehr so ganz, „Hey, wer will die Eisbären sehn?“ würde inzwischen besser passen. Der Zuschauerschwund beim Berliner Eishockeyklub ist ein schleichender Prozess. Die Berliner sind dabei, ihr Eventpublikum zu verlieren – weil den Eisbären eine gute Geschichte fehlt, um die Menschen in die Halle zu locken.

In der Arena war bei den ersten drei Heimspielen der Saison nur noch der harte Kern der Anhänger, wobei fast 6000 davon eine Dauerkarte haben. Dass in dieser Saison immer weniger Eventfans in die Arena strömen könnten, haben die Eisbären wohl befürchtet, weswegen sie zum Saisonbeginn mit großer Werbeaktion, Mini-Abos und Karten beim Discounter kontern wollten. Bislang ohne Erfolg. Am Freitag gegen Wolfsburg waren es 9431 Zuschauer, nur zum Auftakt gegen Nürnberg war die Kulisse fünfstellig (10 884 Zuschauer), aber eben auch noch schwächer als beim ersten Spiel in der Vorsaison, die mit einem Schnitt von 12 052 Besuchern beendet wurde. Vergangene Saison kamen erstmals überhaupt weniger als 10 000 Zuschauer zu einem Punktspiel der Berliner. Noch 2012 waren die Eisbären fast immer ausverkauft, der Schnitt lag bei 14 073 Fans – bei einem Fassungsvermögen von 14 200 Zuschauern.

Nun sind drei Spiele an sich kein statistisch aussagekräftiger Maßstab und das Doppelheimspielwochende mit den Gegnern Wolfsburg und Straubing kam den Eisbären nicht entgegen. Geschäftsführer Peter John Lee sagt: „Wir haben das so einkalkuliert mit den Zuschauern.“ Es sei schwer gewesen, mit zwei Heimspielen binnen drei Tagen. Außerdem sei in der DEL generell im September der Zuschauerzuspruch kleiner als im Dezember.

Kartenangebote und Werbung helfen wenig ohne eine gute Geschichte

Aber die Geschichte bei den Eisbären ist eine andere. Sie hatten schon in der Vergangenheit Doppelheimspielprogramme. Aktuell wird im Klub eher die Dynamik der Entwicklung verkannt: Kartenangebote und Werbung helfen wenig ohne eine gute Geschichte um den Klub und das Team herum. Und die braucht es in der DEL bei 26 Heimspielen in der Hauptrunde vor den Play-offs. Den Eisbären fehlt ein großes Event wie ein Freiluftspiel, das DEL-Wintergame. Den Eisbären fehlen vielleicht auch Protagonisten, die mal polarisieren. Den Zuschauern fehlen Anreize, in die Halle zu kommen. Das Feuerwerk im Vorprogramm ist bekannt und die Klatschpappen wollen die harten Fans nicht – sie aber sind wohl für das Eventpublikum essentiell.

Es wird nicht so ganz klar, wofür die Eisbären zur Zeit stehen. 2013 wurden sie zuletzt Meister und nach zwei soliden Spielzeiten werden sie auch diesmal oben mitspielen – aber der Favorit auf den Titel sind sie nicht. Da waren die Berliner in der glorreichen Vergangenheit des Klubs mehr gewöhnt, nämlich sieben Meistertitel zwischen 2005 und 2013. Die Eisbären standen für Erfolg, das war ihre Geschichte und sie lockte in die Halle, neben dem etwas verschroben herzlichen Ostimage als kleiner Klub aus Hohenschönhausen, der ganz Berlin eroberte. Aber das ist nun alles auch schon wieder vorbei.

Die Eisbären sind in Berlin eben nicht das, was die Haie – Zuschauerkrösus der DEL – in Köln sind: Die unantastbare Nummer zwei hinter dem Fußball. In Berlin steht derzeit wohl nur der 1. FC Union mit seiner Aufbruchstimmung für eine spannende Gegenwart und eine interessante Zukunft und spielt deshalb vor zuverlässig ausverkauftem Stadion. Vielen anderen Klubs fehlt diese Spannung. Hertha BSC jammert über zu wenige Zuschauer – auf anderem Niveau als die Eisbären. Die sind in der Gunst des Publikums immer noch klar vor den Handballern der Füchse oder den BR Volleys, rücken aber Basketball-Bundesligist Alba näher (Zuschauerschnitt vergangene Saison: 10 000).

Und, so sagen Insider, bei den Eisbären arbeiten sie weit weniger mit Ticketpaketen für die Sponsoren als andere Berliner Klubs. Sprich: Es gibt kaum Freikarten bei den Eisbären. Das hat auch damit zu tun, dass dem Eigner Anschütz der Verdienst mit dem Kartenverkauf wichtiger ist als eine volle Halle. Die volle Halle allerdings braucht ein Klub, um nach außen hin Begehrlichkeiten zu wecken.

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