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Sport: Eishockey: Sowjetischer Sturm

Vor fünf Jahren reiste Georg Riedel zur Ahnenforschung in den Ural. Der Unternehmer suchte nicht entfernte Verwandte, sondern deutschstämmige Eishockeyspieler.

Vor fünf Jahren reiste Georg Riedel zur Ahnenforschung in den Ural. Der Unternehmer suchte nicht entfernte Verwandte, sondern deutschstämmige Eishockeyspieler. Riedel stand dem REV Wilhelmshaven vor, und nach der ergiebigen Reise des Präsidenten wurde bei dem fünftklassigen Klub vorwiegend russisch gesprochen. Fast die komplette Mannschaft bestand aus Spielern, die in der Sowjetunion das Eishockeyspielen erlernt hatten.

Nur einer fiel aus dem Rahmen. Eduard Lewandowski hatte vor seiner Auswanderung gar kein Eishockey gespielt. In seiner Heimatstadt Krasnoturjinsk im östlichen Vorland des mittleren Urals war Bandy Sportart Nummer eins. "Das ist wie Feldhockey, nur auf Schlittschuhen", erzählt Lewandowski. Nach der Ausreise seiner deutschstämmigen Eltern musste sich der 15-Jährige umorientieren. "Das war peinlich", erzählt Lewandowsk heute. "Bei meinem ersten Eishockey-Training in Deutschland konnte ich zwar besser Schlittschuh laufen als alle anderen, aber mit dem Schläger konnte ich nichts anfangen."

Das hat sich schnell geändert. Nach einem Jahr beim REV Wilhelmshaven wechselte der Stürmer zum Lokalrivalen EC Wilhelmshaven, für den er in der Zweiten Bundesliga im vergangenen Jahr immerhin 22 Tore schoss. Das war, in Kombination mit seinem deutschen Pass, auch eine gute Empfehlung für die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). In diesem Sommer nahmen die Berliner Eisbären Eduard Lewandowski unter Vertrag - und den aus Kasachstan nach Wilhelmshaven ausgewanderten Boris Blank gleich noch dazu.

Beide haben in den ersten vier Spielen der Saison gut gespielt, am Sonntag beim Sieg gegen den Deutschen Meister Mannheim gar so gut, dass der Trainer sie gleich heraushob. "Boris und Eduard waren unsere besten", sagte Uli Egen. Lewandowski ist trotzdem noch nicht ganz zufrieden mit seiner Rolle. "Als ich kam, da hat man mir versprochen, dass ich in der zweiten oder dritten Reihe spiele." Bisher ist der sowjetische Sturm in Berlin nur an Nummer vier gesetzt, und Lewandowski treibt die Furcht, Bundestrainer Hans Zach könnte ihn aus den Augen verlieren. Vor der Weltmeisterschaft im Frühjahr gehörten er und Blank schon zum erweiterten Kader der Nationalmannschaft. "Ich denke schon, dass ich eine Perspektive in der Nationalmannschaft habe", sagt Lewandowski. "Aber dafür muss ich im Verein häufiger auf dem Eis stehen."

Immerhin können Lewandowski und Blank mittlerweile ganz gut vom Eishockey leben. Danach hatte es damals beim REV Wilhelmshaven nicht ausgesehen. "Da habe ich 50 Mark in der Woche bekommen", sagt Lewandowski. Alle Sparmaßnahmen bei der Entlohnung des Personals haben dem REV übrigens nicht genutzt. Der einzige Triumph war 1997 der Gewinn des Regionalliga-Cups. Beim 6:2 gegen den TuS Harsefeld schoss Blank sogar ein Tor - sein letztes für den REV. Nach dem Spiel gab der Präsident bekannt, dass der Klub pleite war. Georg Riedel betreibt heute in Wilhelmshaven ein Motorradgeschäft und hat mit dem Eishockey nichts mehr zu tun. Aber er hat Spuren hinterlassen: Neben Lewandowski und Blank spielt mit Witali Aab (Nürnberg Ice Tigers) auch noch ein dritter einst von Riedel geholter Spieler in der DEL.

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