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Russland hofft auf seine Tore. Alexander Owetschkin schießt in der National Hockey League für die Washington Capitals Treffer wie am Fließband. Bei Olympia soll er die russische Mannschaft zum Olympiasieg führen – und damit eine ganze Nation glücklich machen.

© Reuters

Eishockey-Turnier der Männer startet: Ein Land sehnt sich nach Gold

Am Mittwoch beginnt das Eishockeyturnier der Männer in Sotschi. Für die russischen Fans zählt dabei nur der Olympiasieg. Auf Superstar Alexander Owetschkin lastet dabei der Druck einer ganzen Nation.

Am Dienstagmittag war es so weit, Russlands populärster Olympionike hielt Hof. Alexander Owetschkin. Auf einer Pressekonferenz, flankiert vom einstigen Eishockeytorwart und immer noch Sportidol Wladimir Tretjak, sprach der Eishockeystürmer mit der charakteristischen Zahnlücke im Olympiapark darüber, wie wichtig die olympische Goldmedaille im Eishockey für sein Land sei. Für Russland, das genau genommen noch nie Gold bei Olympia gewonnen hat – früher war es die Sowjetunion, letztmals triumphierten Russen 1992 in Albertville noch als Team der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). International hatten die Russen nach 1992 als Eishockeygroßmacht abgedankt, doch das soll sich in Sotschi nun ändern, verspricht Owetschkin: „Unser Auftrag ist Gold.“

Es ist dieser Tage in Sotschi schwer, dem Thema Eishockey auszuweichen. Im russischen Fernsehen laufen überall Szenen aus irgendwelchen Spielen der vergangenen Jahre, in den Studios sitzen dann oft beleibte Ex-Stars, die die Chancen des russischen Nationalteams bei den Winterspielen von Sotschi diskutieren. Eines ist klar, die letzte Entscheidung von Sotschi will Staatschef Wladimir Putin, wollen die Russen, unbedingt gewinnen: das Finale vor der Schlussfeier am Sonntag, dem 23. Februar. Es ist allerdings in der russischen Öffentlichkeit auch eine gewisse Anspannung zu spüren, wann immer Gäste aus dem Ausland zu den Spielen gefragt werden, kommt unweigerlich irgendwann die Frage nach dem Sieger des Eishockeyturniers. Und wehe der Interviewte spricht dann von Kanada, den USA oder Schweden. Der Druck auf die russischen Stars ist riesig.

Alexander Owetschkin demonstriert seit Tagen auf dem Internetdienst „Twitter“, dass er besser Eishockey spielt als fotografiert. Owetschkin stellt ein verwackeltes Bild nach dem andern von Sotschi ins Netz. Zuletzt textete der russische Superstar: „Mir fehlen die Worte. Danke für den Urlaub. Ich bin stolz auf mein Land.“ Der „Urlaub“ wird ein Arbeitsurlaub für Owetschkin, vielleicht zum letzten Mal: Denn es ist unsicher, ob die nordamerikanische Profiliga NHL ihre Saison noch einmal für Olympia unterbricht, und ob der 28 Jahre alte Stürmer vom NHL-Klub Washington Capitals noch einmal Olympische Spiele erleben darf. Owetschkin hat zwar gesagt: „Ich wäre auch nach Russland gekommen, wenn sie es mir nicht erlaubt hätten“ – aber das Zitat könnte man auch als sehr populistisch einordnen. Bei seinen neun Millionen Dollar Jahresgehalt in der NHL hätte sich Owetschkin das wohl zweimal überlegt.

Die Spiele werden alle im Olympiapark von Sotschi stattfinden, dort trainieren die zwölf Mannschaften bereits seit einigen Tagen. Im Bolschoi-Dome mit 12 000 Zuschauern Fassungsvermögen werden Tschechien und Schweden am Mittwoch das Männerturnier eröffnen. Einige Spiele werden auch in der kleineren Shayba-Arena ausgetragen, dazu gibt es noch zwei Trainingshallen auf dem Gelände: Die Spieler laufen sich tagtäglich über den Weg, aber sie kennen sich ja fast alle aus Nordamerika, selbst vom schwedischen Team sind bis auf einen Spieler alle in der NHL beschäftigt, dort gibt es eben am meisten Geld zu verdienen. 51 Spieler des Olympiasiegers spielen in der NHL, der beim Turnier allerdings auf seine Stars Henrik Sedin und Johan Franzen verzichten muss, was die Chancen der Schweden etwas schmälern könnte.

Die beiden größten Favoriten auf Gold kommen wohl aus Nordamerika. Unvergessen ist das dramatische Finale von Vancouver, dass Kanada in der Verlängerung durch ein Tor von Sidney Crosby 3:2 gegen die USA gewann. Crosby führt auch diesmal das kanadische Team, allerdings ist die jüngere US-Auswahl wohl als mindestens gleichwertig einzuschätzen. Der Turniermodus ist der gleiche wie vor vier Jahren: Aus drei Vierergruppen qualifiziert sich der Erste und der beste Zweite aller Gruppen direkt fürs Viertelfinale, die übrigen acht Teams spielen in einer K.-o.-Runde die anderen vier Viertelfinalteilnehmer aus. Die deutsche Mannschaft fehlt in Sotschi, sie konnte sich erstmals seit 1948 nicht für Olympia qualifizieren.

Alexander Owetschkin sieht die Mission Goldmedaille längst als nationalen Auftrag, in Einklang mit Staatschef Wladimir Putin, für den Eishockeygold das wichtigste olympische Gold ist. Am Dienstag sagte Alexander Owetschkin auf seiner Pressekonferenz: „Wir wollen alle Gold und werden den Heimvorteil nutzen und unser Land glücklich machen.“ Mehr als 100 russische Journalisten sprangen daraufhin auf und applaudierten minutenlang. So etwas, das gibt es wohl nur in Russland.

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