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Stark am Puck. In der Vorbereitung schoss Akdag (82) sein erstes Länderspiel-Tor.

© AFP

Eishockey-WM: Sinan Akdag: Heimat auf dem Eis

Am Freitag beginnt die Eishockey-Weltmeisterschaft in Schweden und Finnland. Mit Sinan Akdag steht erstmals ein türkischstämmiger Spieler in einem deutschen WM-Aufgebot.

Rosenheim ist weit weg, Adana sowieso. Sinan Akdag sitzt in einem Hotelzimmer in Stockholm. Es sei eine Überraschung, dass er dort ist, sagt der 22-Jährige. Klar, in der Vorbereitung auf das am Freitag in Schweden und Finnland beginnende Weltmeisterschaftsturnier im Eishockey, da durfte er für Deutschland spielen. Aber dann wurde aussortiert von Jakob Kölliker. Der neue Eishockey-Bundestrainer bat Akdag zum Gespräch – und sagte dem Verteidiger der Krefeld Pinguine, dass er bei der WM dabei ist. Akdag sei für ihn die Überraschung in der Vorbereitung gewesen.

An sich ist es keine Überraschung, dass ein Verteidiger aus Krefeld für Deutschland spielt. Doch im Falle von Akdag ist es anders. Er war der erste Spieler mit türkischen Wurzeln in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), dann war er der erste Nationalspieler türkischer Herkunft und nun ist er der erste türkischstämmige Nationalspieler bei einer WM. Für Akdag ist es „eine große Ehre“.

Er ist in Rosenheim als Sohn türkischer Einwanderer aufgewachsen, neben der Eishalle. „Da kommt man automatisch zum Eishockey“, erzählt er. Für die Eltern war Eishockey ein exotisches Hobby. Doch Akdag schaffte es bis zum Profi. Auf dem weiten Weg dahin hat er sich seine Blessuren abgeholt. Wegen seiner Abstammung bekam er im Nachwuchs Beleidigungen zu hören. Kanake. Das Übliche, sagt er, so ergehe es Minderheiten leider oft. Vieles ließ er an seinen 1,87 Metern Körpergröße abprallen: Schon seit drei Jahren ist der Profi in der DEL, in Krefeld. Beleidigt werde er heute nicht mehr.

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In Krefeld holt er an der Abendschule sein Abitur nach, den schriftlichen Teil hat er schon hinter sich. Der mündliche ist nach der WM dran. Später einmal will er studieren. Auf jeden Fall in Deutschland – obwohl seine Eltern bald in die Türkei zurück wollen. Akdags Sportart spielt dort eine Nebenrolle. Die Nationalmannschaft ist gerade von der vierten WM-Gruppe in die dritte aufgestiegen, nach Siegen gegen Luxemburg und die Mongolei. Die Gefahr, dass Akdag, wie bei türkischstämmigen Fußballern Usus, von Scouts für die Türkei abgeworben worden wäre, lag bei null. „Ich hätte immer für Deutschland gespielt“, sagt er. „Auch als Fußballer. Hier bin ich geboren, das ist meine Heimat.“ Trotzdem könne es sein, dass in Stockholm nun ein türkisches Fernsehteam auftauche. Die waren auch schon in Krefeld. Aber das machten die ja nur, weil er der Erste sei aus einer Generation von Kindern von Migranten, die das neue Deutschland prägen. In der DEL ist er nicht mehr der einzige türkischstämmige Profi. Verteidiger Yasin Ehliz aus Nürnberg könnte auch mal für das Nationalteam infrage kommen. „Und im Nachwuchs kommen da einige nach“, sagt Akdag.

Zehn Testländerspiele hat Akdag hinter sich. Ob er im ersten Spiel der Deutschen am Freitag gegen Italien aufläuft, ist unklar. Er ist als achter Verteidiger nominiert, Kölliker wird nur sieben Verteidiger einsetzen. „Aber meine Chance kommt“, sagt der selbstbewusste Bursche mit dem leichten bayrischen Akzent. So einen wie Akdag können sie brauchen, er ist großgewachsen, aber nicht nur Abräumer. „Ich kann den Puck auch spielen“, sagt er. Aber Ansprüche stelle er nicht, in einem Team, in dem die Stimmung sensationell sei. „Wir müssen uns bei der WM nicht verstecken.“ Das wird in Rosenheim auf jeden Fall verfolgt, von seinen türkischen Freunden. Und die Familie in der türkischen Provinz Adana? „Ob die sich das anschauen, weiß ich nicht“, sagt Sinan Akdag und schmunzelt. „Aber sie wissen schon, dass ich bei einer Weltmeisterschaft spiele.“

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