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Sport: Eisige Harmonie

Die Konkurrentinnen Friesinger und Pechstein müssen künftig auch im Team Leistung bringen

Berlin - Bis vor kurzem konnten sich Anni Friesinger und Claudia Pechstein kaum vertragen. Jetzt auf einmal müssen sie sich blind verstehen. Dazu haben sie sogar einen nationalen Auftrag. Von dieser Saison an gibt es nämlich einen Teamwettbewerb im Eisschnelllaufen, und das ist eine ernste Sache. 2006 in Turin werden erstmals olympische Medaillen in der Mannschaftsverfolgung vergeben. Ob die deutschen Eisschnellläuferinnen dann Gold gewinnen, wird vor allem von ihrem Verständnis abhängen. „Beim Wechsel kann man eine halbe Sekunde verlieren, aber auch bis zu einer halben Sekunde gewinnen“, sagt Günter Schumacher, der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Aus den Rivalinnen soll nun also eine Mannschaft werden.

Bei den deutschen Meisterschaften an diesem Wochenende im Sportforum Hohenschönhausen laufen Friesinger und Pechstein noch einmal ganz für sich, doch schon bei den nächsten Weltcuprennen starten sie auch als Team. Gemeinsame Ziele werden die gegenseitige Abneigung vielleicht etwas mildern. Friesinger hatte sich immer darüber aufgeregt, dass Pechstein ihre Leistungen nicht anerkenne. Pechstein dagegen konnte mit Friesingers immerfröhlichen Art nichts anfangen und vermutete bei ihr Feindschaft gegenüber dem Osten.

Noch hat sie der Mannschaftsgeist nicht erfasst. Pechstein sagt: „Ich hoffe, dass wir ein paar gute Rennen bestreiten, aber so viel trainieren werden wir zusammen nicht.“ Und Friesinger sagt: „Es ist ein Wettbewerb, der auch ein bisschen für Teambildung sorgt, da müssen wir harmonieren.“ Die Mannschaftsverfolgung findet Schumacher jedoch nicht nur als friedensfördernde Maßnahme für die Läuferinnen interessant: „Wir stehen am Anfang einer Revolution.“

Das mag übertrieben klingen, aber für Eisschnelllaufen ist es tatsächlich ein Aufbruch. Der Allround-Vierkampf besteht schon seit 1896, und die letzte Veränderung am olympischen Streckenprogramm wurde 1976 vorgenommen. Damals kam bei den Männern die 1000-Meter-Distanz hinzu. Weil nun der Teamwettbewerb olympisch wird, hofft Schumacher auf mehr: auf Massenstarts oder die Einführung von 100-Meter-Rennen.

Doch zunächst einmal laufen Mannschaften. Fünf Starter darf ein Verband für ein Team nominieren. Drei von ihnen bestreiten das Rennen. Zwei Mannschaften laufen gegeneinander. Die Frauen laufen insgesamt sechs Runden im 400-Meter-Oval, die Männer acht. Das setzt gemeinsames Training voraus, aber Gemeinschaftsarbeit versucht die DESG zurzeit ohnehin zu fördern. Auf diese Saison haben sich die beiden Trainingsgruppen aus dem niederrheinischen Grefrath und dem bayerischen Inzell zusammen vorbereitet. „Die Männer konnten bisher nicht im optimalen Gefüge trainieren“, sagt DESG-Cheftrainer Helmut Kraus. Das sei auch ein Grund, warum die Männer im Gegensatz zu den Frauen nicht ganz vorne in der Weltspitze sind.

Beim gemeinsamen Training der Gruppen haben die Läufer Zeit und Kraft gespart. „Durch das Windschattenlaufen gewinnt man etwa drei Sekunden pro Runde. Man kann also mit geringerem Aufwand länger und schneller laufen“, sagt Cheftrainer Kraus. Er hofft, dass auch die deutschen Männer beim ersten olympischen Mannschaftswettbewerb eine Medaille gewinnen. Die gemeinsame Vorbereitung soll ihnen dabei helfen. So hat die Teamarbeit zwei Funktionen: die Männer soll sie anstacheln, die Frauen soll sie mäßigen.

Sportforum H’schönhausen, Samstag ab 12 Uhr, Sonntag ab 11 Uhr, Eintritt frei.

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