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Sport: Eiskunstlauf: Bombastisch

Die Theatralik wirkt oft ziemlich übertrieben, auch in puncto Dramatik wird keinerlei Zurückhaltung geübt. Und das hat Folgen: Die Eistänzer sind ein Jahr vor den olympischen Spielen in Salt Lake City in eine Sackgasse geschlittert.

Die Theatralik wirkt oft ziemlich übertrieben, auch in puncto Dramatik wird keinerlei Zurückhaltung geübt. Und das hat Folgen: Die Eistänzer sind ein Jahr vor den olympischen Spielen in Salt Lake City in eine Sackgasse geschlittert. "Fast alle sind schlechter geworden als im vergangenen Jahr", kommentierte Katarina Witt einen langweiligen Abend im General Motors Place von Vancouver, der nur deshalb Eingang in die Geschichte der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften finden wird, weil erstmals seit 110 Jahren eine Goldmedaille nach Italien ging.

Die neuen Titelträger, die das Romeo-und-Julia-Thema im modernen Gewand (über-)interpretierten, mochten sich dieser Meinung verständlicherweise nicht anschließen. "Wir haben unseren EM-Titel bestätigt", sagte Maurizio Margaglio. Seine Partnerin Barbara Fusar-Poli ergänzte voller Überzeugung: "Dies war unsere beste WM-Kür aller Zeiten." Eine strittige Behauptung.

Doch das fachkundige kanadische Publikum hatte ein feines Gespür dafür, dass sich das Eistanzen auf wackligen Kufen befindet. Wirkliche Begeisterung kam nur bei den viertplatzierten Lokalmatadoren Shae-Lynn Bourne und Victor Kraatz sowie den ihnen folgenden Litauern Margarita Drobiazko und Povilas Vanagas auf, die als einzige Eistanz ohne Pathos und Schwulst zelebrierten. Mager blieb der am Beifall zu messende Zuspruch für die neuen Weltmeister, die entthronten Titelverteidiger Marina Anissina und Gwendal Peizerat aus Frankreich sowie die russischen Bronzemedaillengewinner Irina Lobatschewa und Ilja Awerbuch.

Ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen dürften die Medaillengewinner freilich kaum den Mut aufbringen, das Rad zurückzudrehen. Daher droht im Delta Center von Salt Lake City eine Orgie der Bombastik. Möglicherweise ein Ansatzpunkt für die Berliner Kati Winkler und René Lohse, mit einem leichten, beschwingten Programm ein angenehm anzuschauendes Gegengewicht zu schaffen und Preisrichter und Publikum damit auf ihre Seite zu ziehen. Der Sturz vom sechsten auf den siebenten Platz im Vergleich zum Vorjahr war für die viermaligen Deutschen Meister eher Ansporn als Enttäuschung. "Es wird nicht leicht sein, für die neue Kür etwas ganz Besonderes zu finden, aber wir werden es schaffen", sagte Kati Winkler selbstbewusst. Um noch besser für den olympischen Winter präpariert zu sein, werden die Wahl-Oberstdorfer bereits im Mai statt wie bisher im Juni mit dem Training der neuen Programme beginnen.

Bis dahin sollen auch die Differenzen mit der Deutschen Eislauf-Union bezüglich einer ausreichenden Unterstützung aus der Welt geschafft sein. Wichtig ist den beiden Zeitsoldaten insbesondere ein adäquater Ersatz für Trainer Martin Skotnicky. Der slowakische Erfolgstrainer ist häufig mit anderen Schützlingen zu Wettbewerben unterwegs und steht dann seinem Top-Paar nicht zur Verfügung. René Lohse: "Wir sind das einzige Top-Ten-Paar mit nur einem einzigen Trainer. Das wirft uns bei den Wettkampfvorbereitungen immer wieder zurück."

Die neuen Weltmeister Fusar-Poli/Margaglio werden zwar von einem ganzen Betreuerstab gehegt und gepflegt, sind aber im Land der Tifosi und Ferraristi ungeachtet ihrer Erfolge weitgehend unbekannt. Ein einziger italienischer Journalist meldete den Erfolg seiner Landsleute in die Heimat. Fusar-Polis Eltern mussten sogar von Mailand nach Frankreich reisen, um die Siegeskür ihrer Tochter verfolgen zu können. Grund: Tele France 1 übertrug die Entscheidung live im Fernsehen, RAI in Italien sendete nur das Testbild.

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