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Ingo Steuer

© dpa

Eiskunstlauf: Verbissen bis zur Perfektion

Eiskunstlauf-Trainer Ingo Steuer führt sein Paar Sawtschenko/Szolkowy zur Weltklasse, weil er keine Kompromisse akzeptiert.

Berlin - Wahrscheinlich sind die beiden Patzer sogar ziemlich bedeutsam. Der Salchow, den Robin Szolkowy nur zweifach sprang statt dreifach wie geplant und wie ihn Aljona Sawtschenko zwei Meter weiter auch zeigte. Und die Einzelpirouette, die beide nicht ganz synchron drehten. Es läuft eben doch nicht alles perfekt. Ein Eiskunstlauf-Paar wie Sawtschenko/Szolkowy braucht so eine Information, um noch härter, noch verbissener zu arbeiten. Vor allem aber braucht diese Information Ingo Steuer, ihr Trainer. Das Paar aus Chemnitz ist zwar gerade in Zagreb mit überragenden 202,39 Punkten Europameister geworden, aber die EM in Zagreb, die ist ja nur eine Zwischenstation, sagt Steuer.

Es kommt ja noch Göteborg, die Weltmeisterschaft. „Wenn die beiden dort sauber laufen, können sie alles gewinnen“, sagt der Trainer. Der WM-Titel, der zählt, nur er befriedigt die Ansprüche des Ingo Steuer. Er hatte sein Paar im Dezember 2007 zum Sieg im Grand-Prix-Finale geführt, das war schon überragend, jetzt will jetzt auch den WM-Titel.

Das ist inzwischen seine Leistungsebene, drunter macht er’s nicht mehr. Weshalb auch? Sawtschenko/Szolkowy, dieses Paar verkörpert in Bestform die ganze Ästhetik und Attraktivität des Eiskunstlaufs. „Die sind in den Einzelsprüngen hervorragend, die haben kreative Hebungen, die sind in ihrem künstlerischen Ausdruck in der Welt einmalig“, sagt Reinhard Ketterer, der Leitende Landestrainer von Berlin. Mag ja sein, dass das chinesische Spitzenpaar Dan Zhang/Hao Zhang technisch ebenfalls brilliert, „aber im künstlerischen Bereich sind Sawtschenko und Szolkowy vorn“.

Das haben sie vor allem jenem Mann zu verdanken, zu dessen Arbeitsstil stechende Blicke gehören und Sätze, die mit Ausrufezeichen enden. „Ich will immer 120 Prozent“, sagt Ingo Steuer. Oder: „Ich verlange sehr, sehr viel. Mich zufriedenzustellen, ist sehr, sehr schwer.“ Deshalb sind die Patzer von Zagreb hilfreich. Sie spornen Steuer nur noch an; er kann nicht mit Mängeln leben, sie machen ihn rasend. 1997 wurde er mit Mandy Wötzel selber Paarlauf-Weltmeister. „Wir sind damals schlecht gelaufen“, sagt er nur. Kritik von ihm geht immer an die Schmerzgrenze. Ihm ist es egal, wer leidet. Und wenn er sich selber abwertet, ist das in seinen Augen nur konsequent. „Ich hätte ja besser sein können.“

So arbeitet er auch in Chemnitz, ein Perfektionist, der alles aus sich und seinem Paar herausholt. Einmal gelang es Robin Szolkowy trotz aller Mühe nicht, eine bestimmte Hebung so auszuführen, dass Steuer zufrieden war. Der Trainer zeichnete ihm am Videogerät mit einem Kugelschreiber unzählige Male die richtige Linie vor, vergeblich. Da griff sich Steuer eine leere Bierkiste, fuhr aufs Eis und demonstrierte mit der Kiste, wie Szolkowy seine Partnerin heben sollte. Szolkowy begriff. „Ich weiß immer eine Antwort“, sagte Steuer später.

Und weil Steuer ausgebildeter Choreograph ist, kann er seinem Paar diese unvergleichliche künstlerische Note geben, diese Ästhetik, die ihr Programm so anmutig macht. Das zweite Plus heißt Aljona Sawtschenko. „Ingo will 120 Prozent?“, fragt sie und zieht die Brauen hoch. „Ich will 180.“ Die gebürtige Ukrainerin kam als Junioren-Weltmeisterin zu Steuer, sie hat Talent, sie hat Ehrgeiz, sie ist genau jene Frau, die einer wie Steuer braucht, um optimal seine Vorstellungen umsetzen zu können. Und Szolkowy passt ideal dazu.

Die ultimative Herausforderung für einen wie Steuer aber ist Olympia, Gold 2010 in Vancouver. „Gedanklich bin ich schon bei Olympia, besonders was die Musik fürs neue Programm angeht“, sagt er. „Unser Ziel bei den Spielen ist es, fehlerfrei zu sein.“ Dann würde Eiskunstlauf endgültig zur Kunst.

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