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Sport: Elf der Sehnsucht

Von der deutschen Mannschaft wird der Titel erwartet – nur wer sind die 23, die mit zur EM fahren?

Vergangenen Freitag ist Berti Vogts 65 geworden. Mit ein paar Freunden ist er in Dubai essen gegangen. Und vielleicht wird der frühere Bundestrainer ein paar Anekdoten zum Besten gegeben haben, wie es bei der Europameisterschaft 1996 war, als Deutschland den letzten großen Titel gewonnen hat. Vogts war damals ungefähr so alt wie Joachim Löw heute ist. Vogts Anlauf als Bundestrainer auf den Titel dauerte sechs Jahre. Und wenn Löw im Sommer zur EM reist, wird auch er sechs Jahre lang die Geschicke der wichtigsten deutschen Mannschaft steuern. Sollte dieser am 1. Juli das Finale in Kiew gewinnen, „wäre ich der Erste, der Jogi Löw am Telefon gratulieren würde“, sagte Vogts.

Das waren aber schon die Parallelen. Die Umstände des Titelgewinns vor 16 Jahren unterscheiden sich gravierend von der Situation von heute. Hinter der aktuellen deutschen Mannschaft liegt eine Entwicklung, die das Selbstbewusstsein der Spieler basierend auf einer hohen fußballerischen Kultur hat wachsen lassen. „Die Sehnsucht nach einem Titel bei uns allen ist so groß wie nie“, sagt Löw zum Start in das EM-Jahr. Vor allem aber ist der Respekt im Ausland vor dem Leistungsvermögen seiner Mannschaft gestiegen. Der frühere brasilianische Weltstar Zico sagte unlängst, dass Löw dank eines Mittelfelds aus Spielern wie Schweinsteiger, Khedira, Kroos und Özil in der Lage sei, „einen Stil zu kreieren, der von der eigenen Kreativität lebt und nicht von den Fehlern des Gegners“. Ein schöneres Lob für den deutschen Fußball gab es seit 40 Jahren nicht mehr. Inzwischen vergleicht das Ausland die deutsche Mannschaft mit der der Europameistermannschaft von 1972.

Da diesen Eindruck auch die Deutschen teilen, wird von Löw und seiner Mannschaft nichts Geringeres als der Titel erwartet. „Es wird sehr schwer, aber wir können es schaffen“, sagte Löw. Fragt sich nur, wer bei dieser Mission teilnehmen darf? 23 Kaderplätze hat Löw für die EM zu vergeben. „Wir haben einen großen Kreis von etwa 30 Spielern, die unsere Ansprüche und Vorstellungen erfüllen.“ Wenn alle gesund und in Form bleiben, werde es Härtefälle geben, sagt Löw.

Das Gros der EM-Fahrer hat sich bereits herauskristallisiert, 18, vielleicht auch 19 Plätze sind praktisch schon vergeben. Und obwohl bei der WM 2010 in Südafrika der jüngste deutsche WM-Kader seit 1934 einen beachtlichen dritten Platz belegt hat, hat Löw noch einmal die Mannschaft verjüngt. In Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Mario Götze und André Schürrle gehören Spieler zum festen Bestandteil des aktuellen Kaders, die das Turnier in Südafrika als Fernsehzuschauer erlebt haben. Ob sie auch den Sprung in die Stammformation schaffen, ist offen.

Denn Löw, der wie kaum einer seiner Vorgänger Nationalkarrieren verdienter Spieler beendet, vertraut einer Gruppe von Spielern, die bereits einige Turnier gespielt haben wie Lukas Podolski oder Miroslav Klose. Beide Spieler sind schon vor Löw Nationalspieler geworden. Beide haben sich starker Konkurrenz zu erwehren, Podolski der von Schürrle, Klose der von Mario Gomez.

Im Tor ist Manuel Neuer gesetzt. Erster Stellvertreter ist Tim Wiese. Favorit auf den dritten freien Platz ist derzeit Ron-Robert Zieler. Aber auch der junge Marc-André ter Stegen könnte hier noch eingreifen.

In der Abwehr wird Löw wohl nur mit sieben Spielern planen. Für die Innenverteidigung sind das Per Mertesacker, Holger Badstuber und Mats Hummels. Die Außenspieler sind Jerome Boateng und Kapitän Philipp Lahm. Stellvertreter für Boateng sollte Benedikt Höwedes sein, der seinem Konkurrenten Christian Träsch voraus hat, auch als Innenverteidiger spielen zu können. Hier muss Löw als Lahm-Ersatz zwischen Dennis Aogo und Marcel Schmelzer entscheiden.

Für das Mittelfeld sind zehn Spieler eingeplant, wobei für das defensive Mittelfeld (vier Stellen) Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Toni Kroos fest eingeplant sind. Um den letzten freien Platz konkurrieren die Zwillinge Lars und Sven Bender mit Simon Rolfes. Außenseiterchancen besitzt Ilkay Gündogan. Im offensiven Mittelfeld (sechs Stellen) sind als Zentrumspieler Mesut Özil und sein Stellvertreter Mario Götze geplant, hier könnte auch Kroos aushelfen. Auf den Außen sind Thomas Müller und Lukas Podolski gesetzt. Während Schürrle als Podolski-Ersatz sicher dabei sein dürfte, konkurrieren um den Müller-Part Marco Reus und Lewis Holtby.

Für den Sturm sind Miroslav Klose und Mario Gomez gesetzt, vermutlich wird Cacau den dritten Platz einnehmen.

Bis zur Kadernominierung im Mai wird die Mannschaft nur noch ein Länderspiel Ende Februar in Bremen gegen Frankreich bestreiten. In die direkte Turniervorbereitung fallen zwei weitere Testspiele. Am 26. Mai trifft Löws Team in Basel auf die Schweiz, am 1. Juni empfängt sie in Leipzig die Mannschaft Israels. Drei Tage später wird der Tross in das EM-Ko-Gastgeberland Polen aufbrechen und in Danzig das Turnier-Basisquartier beziehen.

Auf Sardinien wird das Unternehmen Titelgewinn am 11. Mai starten. Nach einer Woche Regenerationstrainingslager geht es direkt weiter nach Südfrankreich, wo Löw seine Spieler bis zum 31. Mai in einem zweiten Trainingscamp auf die EM vorbereiten und einschwören wird. Diese Phase wird für alle und alles entscheidend sein. „Der Feinschliff und der Platz um die Plätze passiert dort, auch das Einspielen der Mannschaft wird in der entscheidenden Phase gemacht. Erst da entscheidet sich, wer beim Turnier aufläuft“, sagt Löw.

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