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Sport: Elite im Süden

Der FC Bayern München schlägt Hertha BSC 4:2 und überholt die Berliner in der Tabelle

Es waren gerade einmal 56 Minuten gespielt, der FC Bayern führte 3:0 und die mitgereisten Berliner Fans schworen bereits mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ ihre Vereinstreue. Herthas Trainer Falko Götz streichelte dem 19-Jährigen Patrick Ebert bei der Auswechslung trotz dessen desolater Leistung über den Kopf. Aus dem Spitzenspiel der Bundesliga zwischen dem Bayern München und Hertha BSC drohte längst ein Debakel für die Berliner zu werden. Weder Ebert noch Götz werden geahnt haben, dass sich die Berliner fortan wieder an die Bayern würden herankämpfen können. Letztlich verlor Hertha aber 2:4 (0:2), ist nun Tabellensiebter und kann mit der Höhe der Niederlage noch zufrieden sein.

„Wir hatten in der ersten Halbzeit viel zu viel Respekt“, sagte Dieter Hoeneß und wusste auch nicht recht, warum. Herthas Manager hatte angekündigt, nach 29 Jahren ohne Sieg in München „endlich mal was reißen“ zu wollen. Die Berliner kamen als Tabellenzweiter zu den kriselnden Bayern, die zuletzt zwei Mal auswärts verloren hatten. Doch die Münchner zeigten in der ersten Halbzeit den zuletzt selbstbewussten Berlinern ihre spielerischen und taktischen Grenzen auf. Hertha bekamen eine „Lehrstunde“ erteilt, wie Sofian Chahed sagte. Auch Kapitän Arne Friedrich, der in der vergangenen Woche noch mit Bayerns Nationalspielern auf Augenhöhe gespielt hatte, sah einen „Klassenunterschied“.

Es fehlte den Berlinern an allem, was eine gute Mannschaft zu einem Spitzenspiel beitragen muss: eine vernünftige Raumaufteilung, eine engagierte Zweikampfführung, Kampfgeist. Nach zehn Minuten lagen die Münchner 1:0 in Führung. Lukas Podolski setzte Roy Makaay mit einem schönen Steilpass ein, der Holländer vollendete ohne Probleme. „Es war heute phasenweise wirklich eine Freude meiner Mannschaft zuzusehen, wie sie nach vorne gespielt hat und wie sie die Tore erzielt hat“, sagte Bayerns Trainer Felix Magath.

Hertha hatte der Münchner Offensive nichts entgegenzusetzen, hinzu kamen individuelle Fehler. Vor dem 0:2 versuchte Patrick Ebert einen ähnlich vertikalen Pass wie Podolski vor dem ersten Münchner Tor – allerdings aus der eigenen Abwehr heraus in die Beine von Bastian Schweinsteiger. Der spielte gleich weiter zu Pizarro, der an van Burik vorbeirauschte und zu Willy Sagnol passte, der den Ball freistehend, man kann es nicht anders sagen, lässig einnetzte.

Nach einer Viertelstunde war das Spiel entschieden. Während die anderen vermeintlichen Spitzenmannschaften munter trafen, wies die Blitztabelle Hertha bereits als Sechsten auf. Die Hertha-Fans unter den 69 000 Zuschauern besangen trotzig ihre Fanfreundschaft mit dem Zweitligisten Karlsruher SC – die Berliner waren in der Gegenwart angekommen.

„Hoffentlich haben wir jetzt endlich verstanden, wo wir wirklich stehen“, sagte Dick van Burik nach dem Spiel. Zumindest ohne die verletzten Gilberto und Yildiray Bastürk ist Hertha nicht in der Lage, oben mitzuspielen. „Wir brauchen diese ganz Großen – gerade wenn wir mit vielen Jungen spielen wollen“, sagte Dieter Hoeneß nach dem Spiel. Das größte Talent der Berliner, der 19-jährige Kevin-Prince Boateng, durfte in der ersten Halbzeit zum ersten Mal Bastürk im zentralen Mittelfeld hinter den Spitzen vertreten. Ihm gelang nicht nur nichts; durch seine allzu lässige Art zog er zudem den Unmut seiner Mitspieler, vor allem von Stürmer Marko Pantelic, auf sich.

Kurz nach der Pause fiel das 3:0 durch Pizarro, der sich am Elfmeterpunkt in aller Ruhe aussuchen konnte, wo er den Ball ins Tor schießt. Falko Götz hatte nach der Pause Boateng auf die linke Seite gestellt, wo dieser eigentlich gar nicht spielen mag. Doch er steigerte sich, und mit ihm das ganze Team. Es waren noch 15 Minuten zu spielen, als Malik Fathi mit seinem ersten Bundesligatreffer und Marko Pantelic mit seinem vierten Saisontreffer die Berliner überraschend auf 2:3 gegen die nun unkonzentrierten Münchner herangebracht hatten. Doch Podolskis erstes Bundesligator für die Bayern in der 78. Minute beendete die Berliner Träume von der Ebenbürtigkeit.

„Ich habe nie bezweifelt, dass Bayern am Ende der Saison vorne stehen wird“, sagte Dieter Hoeneß. Für diese Erkenntnis habe es nicht dieses Spiels bedurft. So war die Ernüchterung, wieder nicht bei den Bayern gewonnen zu haben, größer als die, irgendwie beim Spitzenspiel nicht dabei gewesen zu sein.

Stefan Tillmann[München]

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