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Cristiano Ronaldo

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EM-ENTSCHEIDER, Folge 3: Cristiano Ronaldo

Der Portugiese Cristiano Ronaldo ist nicht mehr das verspielte Kind, als das er vor fünf Jahren aus Lissabon nach Manchester kam.

Von Portugals brasilianischem Trainer Luiz Felipe Scolari ist bekannt, dass er das defensive Spiel schätzt. Bei den letzten beiden großen Turnieren war Maniche, das Arbeitstier im defensiven Mittelfeld, sein wichtigster Spieler. Kein Figo, Deco oder Pauleta. Und erst recht nicht Cristiano Ronaldo, der Mann, dem die Fußball-Moderne die Renaissance des Dribblings verdankt.

Dieser Cristiano Ronaldo ist ein Spieler, wie es ihn im Hochgeschwindigkeitsfußball des 21. Jahrhunderts eigentlich gar nicht mehr geben darf. Ein Strandfußballer mit allen positiven, aber auch allen negativen Eigenschaften, die dieser Spezies zugeschrieben werden. Mal kreativ und verspielt, mal arrogant und affektiert. Ein typisches Solo sieht so aus: Ronaldo bekommt in Höhe der Mittellinie den Ball, nimmt Tempo auf und seine Häkelhaken gleichenden Beine kreisen in Schlaufen über den Ball. Zwei, drei Gegenspieler laufen hilflos hinterher, weil ihnen Ronaldo entweder zu schnell ist oder weil sei seinen Bewegungen nicht folgen können, oft ist beides zugleich der Fall. Im Champions-League-Finale hat er Chelseas Weltklassemann Michael Essien ein paar Mal ausgetrickst wie früher seine Freunde am Strand von Madeira. Jeder im Stadion wusste, was er machen würde, Essien wusste es auch, aber Ronaldo war nicht zu halten.

Er schießt mit rechts so gut und hart wie mit links und ist dazu ein exzellenter Kopfballspieler, zu bewundern gerade erst bei seinem 1:0 gegen Chelsea. Schöner noch war sein Tor im Viertelfinale in Rom. Ronaldo schien für Sekunden in der Luft zu stehen, er bog den Oberkörper zurück, ließ ihn wie von einer Feder gespannt nach vorn schnellen und wuchtete den Ball mit der Stirn ins Netz. Trainer Alex Ferguson staunte später, sein portugiesisches Dribbelwunder würde nun schon „wie ein Mittelstürmer spielen“. Und: „Er ist einfach phantastisch!“

Aber es gibt auch den anderen Ronaldo. Den, der theatralisch abhebt, sobald sich ein Abwehrbein nähert. Den affektierten Jongleur, der das Dribbling zum Selbstzweck inszeniert. Der die Zirkusnummer übertreibt, wie im Elfmeterschießen beim Champions-League-Finale, als er im Anlauf stoppte, mit dem Hintern wackelte und dann kläglich versagte.

Doch nur mit Zirkustricks besteht man nicht in der Premier League, der ehrlichsten Liga der Welt. Cristiano Ronaldo ist nicht mehr das verspielte Kind, als das er vor fünf Jahren aus Lissabon nach Manchester kam. 45 Pflichtspieltore hat er in dieser Saison erzielt. Früher war sein Spiel zu 70 Prozent Show und zu 30 Prozent Wettkampf. Heute kann Ronaldo in jedem Spiel den Unterschied machen. Selbst Scolari, der preußische Brasilianer, akzeptiert Ronaldos Stil. Für die EM hat er auch noch Portos Artisten Ricardo Quaresma nominiert, einen Dribbler, der vom Stil her Ronaldos Zwillingsbruder sein könnte. Maniche, Scolaris Lieblingsspieler der vergangenen Jahre, ist dieses Mal nicht dabei. Sven Goldmann

Die Serie im Internet:

www.tagesspiegel.de/em2008

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