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Tranquillo Barnetta

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EM-Entscheider: Tranquillo Barnetta

Hier stellen wir bis zum EM-Beginn täglich die entscheidenden Spieler der Mannschaften vor. Heute, Folge 1: Tranquillo Barnetta, Schweiz.

In der vergangenen Woche hat Tranquillo Barnetta erfahren, was einen Entscheider ausmacht: Es war das letzte Saisonspiel der Bundesliga, Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen, Mitte der zweiten Halbzeit stand es immer noch 0:0, und Leverkusen brauchte dringend ein Tor, um den Platz im Uefa-Cup zu behaupten. In dieser Phase nahm Barnetta, wie man so schön sagt, sein Herz in beide Hände. Er schoss von weit jenseits der Strafraumgrenze, der Ball sauste knapp über die Grasnarbe – und knallte gegen den Pfosten. Ein Entscheider macht den Unterschied. Wäre der Ball ins Tor gegangen, hätte Leverkusen das Spiel wohl gewonnen und sich für den Uefa-Cup qualifiziert.

Rudi Völler, Sportdirektor bei Bayer, hat schon vor einem halben Jahr über den Schweizer gesagt: „Er muss noch mehr Tore schießen.“ Das ist aber auch ungefähr der einzige Makel, der sich im Spiel von Tranquillo Barnetta entdecken lässt. Der Mittelfeldspieler, der heute 23 wird und im selben Jahr geboren ist wie Wayne Rooney, Cristiano Ronaldo und Lukas Podolski, ist in gewisser Hinsicht der Prototyp eines aus der Schweizer Nachwuchsausbildung hervorgegangenen Fußballers. „Ich spiele sehr gern mit ihm zusammen“, sagt sein Leverkusener Kollege Simon Rolfes. „Er ist ein sehr intelligenter Spieler, besitzt ein sehr gutes taktisches Verständnis, erkennt und erfasst Situationen gut.“ Schweizer eben.

Eine einheitliche und für alle Vereine des Landes bindende Nachwuchsausbildung bringt allerdings auch eine Art normierten Spielertyp hervor, der in einem bestimmten System perfekt funktioniert, sich aber nie über das System erheben wird – und kann. Nie war das deutlicher zu erkennen als im Achtelfinale der WM 2006 im Spiel der Schweiz gegen die Ukraine: Zwei taktisch perfekt geschulte Mannschaften trafen aufeinander und neutralisierten sich derart, dass am Ende gar nichts anderes als ein 0:0 herauskommen konnte. Es fehlte ein Spieler, der die Erstarrung hätte aufbrechen können.

Zwei Jahre später könnte Tranquillo Barnetta genau dieser Spieler sein – wenn denn die Gesundheit mitmacht. Gestern erlitt er im Training eine Bänderzerrung und einen Kapselriss im linken Knöchel. Die Ärzte sind aber optimistisch, dass er bei der EM einsatzbereit ist. Das wäre wichtig für die Schweiz, denn Barnetta ist auf dem Platz ein seltener Universalist: Er hat schon als rechter Außenverteidiger gespielt, im linken offensiven Mittelfeld und als Sturmspitze. Wichtiger noch als seine Vielseitigkeit aber sind seine Schnelligkeit und seine Dribbelstärke. Von Barnettas kann Nationaltrainer Jakob Kuhn gar nicht genug kriegen. Eigentlich braucht er mindestens zwei. Einen fürs linke Mittelfeld, wo Barnetta seine Dynamik am besten zur Geltung bringt, und einen für die Zentrale, wo er dem Spiel der Mannschaft Struktur geben könnte.

Bei der WM vor zwei Jahren hat Tranquillo Barnetta die Chance verpasst, zum Entscheider zu werden. Im Elfmeterschießen gegen die Ukraine trat er als zweiter Schütze an. Sein Schuss knallte an die Latte.

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