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Cristiano Ronaldo kostet den Erfolg voll aus.

© REUTERS

EM-Finaleinzug mit Portugal: Cristiano Ronaldo und sein durchgestylter Auftritt

Cristiano Ronaldo liefert beim 2:0 der Portugiesen gegen Wales nicht nur auf dem Rasen eine große Show ab.

Am Ende steht ein Abschied. Auf dem Rasen von Lyon feiert Cristiano Ronaldo den Einzug ins Finale der Europameisterschaft. Er breitet die Arme aus wie einst Christus am Kreuz, aber als die Fotografen ihre Bilder haben, führt ihn der Weg zu Gareth Bale. Kurzer Handschlag, der Portugiese tätschelt die Wange des Walisers, sie umarmen sich lang und intensiv und plaudern angeregt. Worüber? „Ich habe ihm zum großartigen Turnier seiner Mannschaft gratuliert“, sagt Ronaldo, „das war der offizielle Teil. Und der Rest bleibt unter uns.“

Das Halbfinale zwischen Portugal und Wales war auch das Duell zwischen Cristiano Ronaldo und Gareth Bale, den beiden Spielkameraden von Real Madrid. Es wird ihnen abwechselnd ein sehr gutes oder ein sehr schlechtes Verhältnis nachgesagt, weil Bale nach dem Wechsel zu Real bereitwillig seine Position auf dem linken Flügel geräumt hat, aber wohl ein bisschen teurer war als Ronaldo, der bekanntlich ein sehr ausgeprägtes Ego pflegt.

Wahrscheinlich hat die überwiegende Mehrheit aller Nicht-Portugiesen am Mittwochabend in Lyon Bale die Daumen gedrückt. Aber Cristiano Ronaldo ist nicht nur ein Egomane, er ist auch ein ganz hervorragender Fußballspieler. Es waren zwei seiner Eingebungen, die Portugal den Weg wiesen zum nie gefährdeten 2:0-Sieg und damit ins Finale am Sonntag von Saint-Denis. „Der Mann mit der Nummer 7 ist schon ganz gut“, sagt der Waliser Trainer Chris Coleman, er lacht dabei ein bisschen und fügt an, dass er den Portugiesen viel Glück für das Endspiel wünsche. Und keiner möge bitte glauben, Portugal sei nur Ronaldo mit zehn Adjutanten. „Das ist eine richtig gute Mannschaft mit einem ganz klaren Plan“, sagt Coleman.  „Portugal hat eine realistische Siegchance.“

Ronaldo genießt die Huldigungen

Ronaldo hat die Hymnen gern gehört. Kurz vor Mitternacht marschiert er noch einmal zu den portugiesischen Reportern, er versteht sich nicht immer ganz so gut mit ihnen, aber in dieser Nacht ist er in der Stimmung, Huldigungen entgegenzunehmen. Das erste Tor hat er selbst erzielt, mit einem phantastischen Kopfball, wie ihn nur ganz wenige auf der Welt beherrschen. Ronaldo schien für ein paar Sekunden in der Luft zu stehen wie ein Falke, der seine Beute anvisiert und dann zum Sturzflug ansetzt. Das zweite Tor entsprang seiner Vorarbeit, wobei der im nachhinein als Pass interpretierte Kick in die Mitte auf den Fuß seines Kollegen Nani wohl eher ein verunglückter Torschuss war, aber für solche Haarspaltereien ist kein Platz in dieser Nacht von Lyon.

Sein Auftritt ist perfekt durchgestylt. Um die Hüfte hat er eine graue Strickjacke geknotet, das weinrote Polohemd mit dem portugiesischen Emblem ist am Kragen bis zum letzten Knopf geschlossen. An seinen Ohrläppchen blitzen Brillanten, um das rechte Handgelenk trägt er zwei Glücksbänder, die Frisur hat der Coiffeur mit einem einrasierten Bogen versehen. Ronaldo blickt in die Runde. Fragen, bitte!

Ein portugiesischer Reporter will wissen, was dieser Erfolg für ihn persönlich bedeute. Gute Frage, Ronaldo nickt anerkennend und stellt erst mal eine Rangliste auf. „Ich habe das verdient, ganz Portugal hat das verdient und unsere Fans haben das verdient“, in genau dieser Reihenfolge. Und was die Kritik an dem nicht immer wunderschönen Spiel der Portugiesen betrifft und am mäßigen Start in das Turnier: „So eine Europameisterschaft ist nicht ein Sprint, sondern ein Marathon. Wir haben langsam angefangen, uns immer weiter gesteigert und wir haben ja noch ein Spiel.“

Portugal sei mehr als Ronaldo, sagt Ronaldo

Eine portugiesische Reporterin schnippst mit den Fingern, sie hat da noch eine ganz wichtige Frage, aber Ronaldo schaut in die andere Richtung.  Er wolle jetzt mal ganz im Sinne von Chris Coleman klarstellen, dass Portugal mehr sei als Cristiano Ronaldo, „es gibt da auch noch Quaresma, Sanches und Nani“, mehr fallen ihm gerade nicht ein. „Wir sind eine Mannschaft, eine Einheit, und genauso treten wir hier auf. Ich versuche zu helfen, nicht nur mit Toren, ich kämpfe für Portugal!“

Ein anderer will wissen, in welchem Verhältnis diese Qualifikation für das Finale zur Europameisterschaft 2004 steht, sie wurde damals in der Heimat ausgespielt und Portugal musste sich erst im Finale dem Sensations-Europameister Griechenland beugen. Ronaldo lacht. Ach, 2004... „Da war ich 19, es war mein erstes großes Turnier.“

Der Fußballspieler Cristiano Ronaldo hat sich damals noch unterordnen müssen. Die Rückennummer 7, heute unverzichtbarer Teil seiner Selbstinszenierung als CR7, trug vor zwölf Jahren Luis Figo, der die Portugiesen auch als Kapitän auf den Platz führte. Ronaldo war ein großer kleiner Junge mit spindeldürren Beinen, er gehörte am Anfang nicht mal zur Stammbesetzung, schoss aber zwei Tore und begeisterte Portugal mit seinen Übersteigern.

Auch 2004 ist Portugal nicht gut gestartet, sondern mit einer Niederlage im Eröffnungsspiel gegen Griechenland, diese Ansetzung kam im Finale zur erfolglosen Wiedervorlage. Diesmal ist Portugal noch ungeschlagen, hat aber auch erst dieses eine Spiel gegen Wales innerhalb der regulären Spielzeit für sich entscheiden könne. „Es haben nicht so viele Leute geglaubt, dass wir ins Finale kommen können“, sagt Ronaldo. „Aber jetzt sind wir da!“

Noch Fragen? Es ist spät geworden. Ronaldo erhebt sich, er nickt zufrieden, winkt nach rechts ins Publikum und dreht den Kopf nach links. Genug geredet. Mal sehen, wie es Gareth Bale so geht.

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