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Der Trend geht zur Körperkunst, auch bei Jerome Boateng.

© Arne Dedert/picture alliance / dpa

EM-Fußballer und ihre Tattoos: Körperkult mit Nebenwirkungen

Es geht nicht mehr ohne: Kaum ein Fußballspieler zeigt sich ohne Tattoos. Doch die Farbteilchen bergen auch Risiken für den Körper.

Fußballspieler waren schon immer Trendsetter. David Beckham war da stilbildend. Der mittlerweile 41-Jährige hatte bis 2015 allein am Oberkörper 99 Tattoos versammelt. Die britische Zeitung „The Mail“ hat mit drei Ansichten des Gesamtkunstwerks David Beckham die Tattoos aufgelistet, und wo möglich, in ihrer Bedeutung erklärt. Viel Biblisches, viel öffentlich dargebrachte Liebe zu seiner Frau Victoria und seinen drei Kindern ist auf seinem Körper zu finden. Das erste Tattoo war ein Schutzengel, der sich vom Rücken bis über die Schultern zog. Unten am Rücken zieht sich der Schriftzug „Brooklyn“ einmal quer darüber, der Name seines ersten Sohnes. Die Arme sind komplett ausgefüllt, und auch die Finger sind inzwischen fast alle mit Bildern oder Schrift belegt.

Bei der Europameisterschaft zeigt sich kaum ein aktiver Fußballspieler ohne Körperkunst. Die meisten haben sich ihre Arme bebildern lassen. Andere haben den Kopf hingehalten und sich mit auffälligen Frisuren ausgestattet, gelegentlich mit Botschaft wie etwa bei Paul Pogba, der sich den französischen Hahn ins Haar hat fräsen und färben lassen. Oder der Kroate Ivan Perisic, der die Farben Weiß-Rot auf dem Kopf trug, als sein Team gegen Portugal im Achtelfinale unterlag.

Der neue Beckham kommt aus Belgien

Der neue Beckham dagegen kommt aus Belgien: Radja Nainggolan ist ein Gesamtkunstwerk. Das Haar ist zum weißblond gefärbten Irokesenschnitt aufgestellt, die Seiten sind rasiert. Die Augenbrauen sind durch eine kleine Rasierlinie zweigeteilt. Und dann fällt der Blick auf Nainggolans Hals: eine Rosenranke. Auch die Arme und Teile des Rumpfes hat der Mittelfeldspieler, der beim AS Rom unter Vertrag steht, mit Bildern bedeckt.

Der belgische Mittelfeldspieler, Radja Nainggolan, ist der legitime Nachfolger von David Beckham, den mittlerweile 99 Tätowierungen zieren.
Der belgische Mittelfeldspieler, Radja Nainggolan, ist der legitime Nachfolger von David Beckham, den mittlerweile 99 Tätowierungen zieren.

© Charles Platiau/REUTERS

Nainggolan ist der Sohn einer flämischen Mutter und eines Vaters indonesischer Herkunft. Als seine Mutter 2010 starb, ließ er sich zwei große Tattoos stechen, Flügel mit ihrem Geburts- und ihrem Todesdatum. Danach lebte der 28-Jährige seinen Gestaltungswillen intensiv aus.

Die Farben können Gifte enthalten

Dass sich die Fußballer-Mode schon seit Jahren in der breiten Bevölkerung durchgesetzt hat, davon zeugen unzählige Tattoo-Studios in Klein- und Großstädten. Und wer im Sommer am Baggersee oder im Schwimmbad ist, kann den Gestaltungswillen oft am ganzen Körper bewundern – oder sich auch schaudernd abwenden. Nach aktuellen Zahlen, die das Agrarministerium gerade veröffentlicht hat, ist in Deutschland jeder Zehnte tätowiert, bei den unter 30-Jährigen sei es sogar jeder Vierte.

Auch Aron Gunnarsson aus Island hat seine Arme neu gestaltet.
Auch Aron Gunnarsson aus Island hat seine Arme neu gestaltet.

© dpa

Am Mittwoch hat sich Christian Schmidt (CSU) in ein Tattoo-Studio einladen lassen, um vor den gesundheitlichen Gefahren der Körperkunst zu warnen. Schmidt ist nicht nur Agrar- und Ernährungsminister, er ist auch für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig. Schmidt sagte: „Gerade zu Beginn der Urlaubszeit warne ich vor spontanen Tattoos, die aus einer Urlaubslaune heraus entstehen.“ Denn: „Sie sind ein Souvenir, das einem ein Leben lang erhalten bleibt – und das leider auch Risiken birgt.“

Minister Schmidt warnt vor den Gefahren

Die Farben sind nicht ohne, und Hygiene ist auch nicht überall Standard. Schmidt stellte sich hinter den Bundesverband Tattoo, einen Branchenverein, der einen Befähigungsnachweis zur Pflicht machen will, bevor jemand ein Tattoo-Studio eröffnen darf. Die Farben können Infektionen und Allergien auslösen. Wer eine Nickelallergie hat, sollte sich das mit dem Tattoo lieber noch einmal überlegen. Wie die Farbteilchen sich im Köper auswirken, ist bisher noch nicht erforscht.

Der italienische Verteidiger Daniele De Rossi hat eine Warnung auf seinem Bein angebracht.
Der italienische Verteidiger Daniele De Rossi hat eine Warnung auf seinem Bein angebracht.

© Carl Recine/REUTERS

Auch das Umweltbundesamt hat sich die Gefahren der Tätowierkunst in seiner Fachzeitschrift „Umwelt und Gesundheit“ vorgenommen. Zum Chemikalien-Cocktail, „der mit Nadeln in die mittlere Hautschicht eingebracht wird“, wie die Experten vom Bundesamt für Risikobewertung schreiben, gehören neben den Farbpigmenten auch Lösungsmittel, Tenside, Bindemittel und oft Konservierungsstoffe. Manchmal werden auch noch Duftstoffe und Pflanzenextrakte in die Farben eingearbeitet. Die Autoren beklagen aber große Datenlücken. Oft gebe es kaum oder keine Informationen darüber, was in den Tätowierfarben enthalten ist. „Tätowiermittel unterliegen keiner Zulassungspflicht“, schreiben die Autoren. Wenn die Sonne auf die Tätowierungen brennt, könnten giftige oder krebserregende Spaltprodukte aus Pigmenten austreten.

Da Tätowierungen auf die Ewigkeit, zumindest lebenslang, angelegt sind, fällt vielen irgendwann auf, dass ihnen ihr Körperschmuck doch nicht mehr gefällt. Die Tattoo-Entfernung hat sich deshalb zu einem lukrativen Geschäftszweig entwickelt. Die Entfernungsmethoden können Narben und Schulden hinterlassen. Aber die Fußballspieler dieser EM tragen bisher noch keine großflächig enttätowierte Haut zu Markte.

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