zum Hauptinhalt
2004 in Portugal, Griechenland schafft mit Trainer Otto Rehhagel die absolute Sensation. An der Ägäis, die er 2010 nach den Enttäuschungen bei der EM 2008 und der WM 2010 verlassen hatte, wird "Rehhakles" bis heute vergöttert. Er war als erster Ausländer "Grieche des Jahres", Welt-Nationaltrainer sowie Ehrenbürger Athens. Lesen Sie hierzu: Glühbirne in der Steinzeit.

© dpa

EM-Geschichten (11): 2004: Glühbirne in der Steinzeit

Über Griechenlands und Otto Rehhagels Fußball kann man sich bis heute leicht lustig machen.

Am 8. Juni eröffnen Polen und die Ukraine die Fußball-Europameisterschaft. Bis dahin blicken wir auf Besonderheiten vergangener Turniere zurück.

Er wurde nicht wegen seiner Jubel-Choreographie gefragt, ob er als Bundestrainer zur Verfügung stünde. Otto Rehhagel hatte eine spezielle Art, sich nach den Siegen mit seiner griechischen Nationalmannschaft zu freuen, er rannte aufs Feld und drehte dabei seine erhobenen Hände, als würde er im Akkord Glühbirnen auswechseln. Schon damals hatten die Torschützen in jedem Ligaspiel vorher einstudierte Jubel, Otto Rehhagels drollige und altbacken erscheinende Freude war nur eine Randerscheinung. Entscheidend war sein Erfolg. Nach dem 1:0 im Halbfinale der EM gegen Tschechien und vor dem 1:0 im Endspiel gegen Gastgeber Portugal wurde Rehhagel gefragt, ob er sich vorstellen könne, Nachfolger für den zurückgetretenen deutschen Teamchef Rudi Völler zu werden. Der 65-Jährige lehnte sich nur genüsslich zurück.

Allein, dass er gefragt wurde, zeigte die Ratlosigkeit im deutschen Fußball nach dem peinlichen frühen Ausscheiden. Zum sensationellen Erfolg der Griechen sagte Stürmer Angelos Charisteas (mit 24 Jahren einer der jungen Spieler im Kader) mehrfach, dass der gleiche Film ablaufe wie 1996: „So wie Deutschland damals Europameister wurde, so spielen wir auch.“

Die Griechen stehen seit 2004 mit ihrer Defensiv-Taktik mit Libero und Manndeckung für Fußball aus der Steinzeit. Rehhagel, der grinsend damit kokettierte, den Spielern nur „Ratschläge“ zu geben, hatte seine Mannschaft Dinge tun lassen, die sie konnte und nicht etwas probieren lassen, dass ihr vielleicht misslingen könnte. Er war erfolgreich, „weil er ein Problem aufwarf, dessen Lösung die Leute vergessen hatten“, analysierte Andy Roxburgh, der Technische Direktor des europäischen Verbandes Uefa.

Dabei stand Rehhagel nicht alleine. Das Turnier war von Fußball geprägt, der viel Wert auf Sicherheit legte. Der bis dahin übliche zweite Stürmer wurde von vielen Trainern zugunsten eines defensiveren Spielers im bis heute üblichen 4-2-3-1-System geopfert. Mancher sah die defensive EM auch darin begründet, dass eine Reihe von Trainern die 60 überschritten hatte und deshalb zur Vorsicht neigte. Rehhagel brachte seine international zweitklassigen Spieler dazu, erst an ihn und dann an sich selbst zu glauben. Seine Weisheiten („Modern ist, wer gewinnt“) standen im Gegensatz zum Beginn der Entwicklung, den Fußball anders zu betrachten und anders über ihn zu sprechen. Wer mitreden wollte, musste seit Jahren die Viererkette internalisiert haben, mit dem Wissen über das antike Fußball-Griechenland und Vokabeln wie Doppelsechs ließen sich ganze Kneipenabende bestreiten.

Als Zukunft der Beleuchtung galten schon damals LED-Lampen. Otto Rehhagel wusste, wie man die heute teilweise verbotenen Glühbirnen richtig wechselt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false