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Update

EM-Halbfinale in Donezk: Spanien siegt im Elfmeterschießen gegen Portugal

Titelverteidiger Spanien quält sich gegen den kleinen Nachbarn Portugal nach trost- und torlosen 120 Minuten erst im Elfmeterschießen zum Einzug ins EM-Finale von Donezk.

Vielleicht behält Europa seinen Meister, aber das ist seit so ungewiss wie noch nie, denn der Meister ist müde, sehr müde. Mit letzter Kraft und über 120 torlose Minuten plus Elfmeterschießen quälte sich Spanien im EM-Halbfinale von Donezk zum einem 4:2-Sieg über den kleinen Nachbarn Portugal. Vor 49 400 Zuschauern in der nicht ganz ausverkauften Donbass-Arena setzte Cesc Fabregas in der Nacht zu Donnerstag den entscheidenden Treffer und schoss die Spanier ins Finale von Kiew. Dort geht es am Sonntag gegen den Sieg des Halbfinales zwischen Deutschland und Italien. Im Falle eines Sieges bekämen es die Deutschen nach der EM 2008 und der WM 2010 zum dritten Mal in Folge in der K.o.-Runde eines großen Turniers mit den Spaniern zu tun.

"Es war ein sehr ausgeglichenes Spiel. Wir waren vielleicht etwas besser in der Verlängerung", sagte Spaniens Trainer Vicente del Bosque und fügte hinzu: "Die Portugiesen sahen ein bisschen müde aus. Davor hatten wir nur wenige Chancen. Es war nicht leicht, durch ihre Abwehr zu kommen. Am Ende haben wir das Glück bei den Elfmetern gehabt. Die Spieler haben schon so viele Spiele hinter sich. Jetzt müssen sie noch einmal mehr ihr Bestes zeigen." Siegtorschütze Cesc Fabregas meinte: "Ich habe schon vorher gespürt, dass ich den Elfmeter verwandeln werde. Noch ein Finale zu erreichen, ist fast ein Wunder. Gegen wen wir jetzt spielen ist egal, vielleicht Deutschland, mal sehen."

Video: Spanien feiert Einzug ins Finale:

Das eigentliche Spiel war keine Offenbarung, was vor allem an den schwach besetzten Ein-Mann-Angriffen lag. Bei Portugal war der frühere Bremer Hugo Almeida ein Totalausfall. Und für die Spanier hatte sich der Trainer eine kleine Überraschung ausgedacht. Del Bosque wählte nicht die zurückhaltende Variante mit dem Mittelfeldspieler Cesc Fabregas, aber auch nicht die stürmische mit Fernando Torres, dem Schützen des Siegtores beim Wiener WM-Finale vor vier Jahren gegen die Deutschen. Torres und Fabregas blieben draußen und es stürmte ein Überraschungskandidat: Alvaro Negredo vom FC Sevilla.

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Das war eine hübsche Idee, mit einem 1,85 Meter langen Stürmer Portugals rustikale Innenverteidiger Pepe und Bruno Alves in Verlegenheit zu bringen. Allein, sie ging nicht auf. Negredo konnte sich nie gewinnbringend in das Kurzpassspiel der kleinen Zauberer Xavi Hernandez, Andres Iniesta und David Silva einfügen. Eher unfreiwillig bereitete er die erste Chance des Spiels vor, als ihm Iniestas schöne Vorlage vom Fuß sprang, glücklicherweise direkt in den Lauf von Alvaro Arbeloa. Der Verteidiger schoss sofort, allerdings ein paar Zentimeter zu hoch, genau wie Iniesta bei der zweiten Chance, und da war schon eine halbe Stunde rum.

Spanien konnte nicht so dominieren wie gewöhnlich

Die Spanier hatten mehr vom Spiel, allerdings artete das nicht aus in die ermüdende Dominanz, die ihren Spielen zuletzt oft zueigen war. Die Portugiesen liefen viel und verdichteten geschickt, allen voran die Mittelfeldleute Joao Moutinho, Miguel Veloso und Raul Meireles. Und sie hatten Cristiano Ronaldo, dessen Speed und Dribbelkunst sie sehr dosiert einsetzten, um beim Gegner erst gar keinen Gewohnheitseffekt zu erzielen. Er hatte nicht viele, aber ein paar gute Szenen, bei seinem Flachschuss ein paar Zentimeter neben den rechten Pfosten waren die Portugiesen dicht dran am 1:0.

Es lag auch, aber keineswegs allein an Ronaldo, dass die spanische Defensive um den vor zwei Jahren in Südafrika noch überragenden Gerard Piqué so viele Unsicherheiten und Fehler produzierte wie lange nicht. Die spanischen Fans sangen in ihrer Ecke unbeirrt „Eviva España“, aber unten auf dem Rasen fehlte die Unbeschwertheit.

Nachdem das in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit so weiter gegangen war, korrigierte del Bosque seinen Irrtum mit dem fremdelnden Negredo und schickte für diesen Fabregas auf den Rasen. Auch der seltsam uninspirierte Silva hatte ausgespielt und musste Jesus Navas Platz machen, kurz vor Schluss der regulären Zeit erwischte es sogar Xavi. Das war ein Abgrund an Majestätsbeleidigung, denn kein anderer steht seit Jahren für die Dominanz und die Erfolge der spanischen Mannschaft wie der der kleine Stratege vom FC Barcelona.

Für Xavi kam Pedro, aber ab der Qualität des spanischen Spiels änderte das wenig. Weil sich auch die Portugiesen keinesfalls dazu provozieren lassen wollten, von ihrer bewährten Defensivhaltung zu lassen, hielt sich die Faszination für das neutrale Publikum in Grenzen. Die „Rossija!“-Sprechchöre im stark russisch geprägten Osten der Ukraine waren nicht zu überhören.

So wenige Torchancen wie im Clasico Iberico der südwesteuropäischen Lieblingsfeinde waren selten bei dieser Europameisterschaft. Die beste hatte noch Cristiano Ronaldo, aber er schoss aus bester Position weit über das Tor. "Wir waren in den 90 Minuten besser, aber haben unsere Chancen nicht genutzt. Wenn ich die Art und Weise einer Niederlage wählen könnte, würde ich diese nicht wählen. Aber irgendwie muss einer verlieren", sagte Portugals Trainer Paulo Bento.

In der Verlängerung war Spanien dann drückend überlegen, hatte durch Iniesta auch eine Riesenchance, schoss aber kein Tor. Was folgte, war das Drama vom Elfmeterpunkt mit einem Helden namens Cesc Fabregas.

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