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Der Traumhüter. Silvio Heinevetter (r.) hielt gegen Mazedonien mit seinen Paraden in den letzten Minuten die deutsche Olympiahoffnung am Leben.

© dapd

EM in Serbien: Deutsche Handballer hoffen wieder

Gegen Mazedonien ging Nationaltrainer Martin Heuberger hohes Risiko, indem er Kapitän Pascal Hens und Torhüter Silvio Heinevetter zunächst auf die Bank setzte. Der Schachzug zahlte sich aus - fürs erste.

Carsten Lichtlein hatte sein Ritual wie immer abgespult. Der Torwart der deutschen Handball-Nationalmannschaft hatte 45 Minuten lang Musik gehört, Pop-Songs von Abba und die „Kleine Nachtmusik“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Und dann war es hinausgegangen in den Krach von Nis. Die deutschen Spieler waren mit einem Pfeifkonzert empfangen worden von den 4.500 fanatischen Zuschauern, die mazedonischen Fans schmetterten die Gesänge so laut aufs Spielfeld, als starte ein Düsenjet neben dem Feld. Aber Carsten Lichtlein ließ sich nicht irritieren, auch nicht durch die Feuerzeuge, die ihm um die Ohren flogen. Er konnte das Spektakel um ihn herum ausblenden, Mozart und Abba sei Dank.

Der 24:23-Sieg der Deutschen gegen Mazedonien am Dienstagabend war immens wichtig, damit er wahrlich mythische Bedeutung bekommt, müsste ihm wohl ein weiterer Folge. Am Donnerstag treffen die Deutschen bei der EM in Serbien auf den WM-Vierten Schweden (18.15 Uhr, live in der ARD), mit einem Sieg wäre die Olympiateilnahme wieder möglich. Bei einer Niederlage gegen Schweden und einem Sieg der Mazedonier gegen Tschechien wäre Deutschland ausgeschieden. Dabei hilft auch, dass der Protest der Mazedonier gegen die Schiedsrichter nach der Niederlage erfolglos war.

Zur Geschichte des Spiels gegen Mazedonien gehörten neben Lichtleins Paraden zwar auch, dass Kapitän Pascal Hens nur auf der Bank saß. Heubergers entscheidender Schachzug hatte aber nichts mit dem deutschen Rückraum zu tun, sondern mit seinen beiden Torhütern. Mit der unpopulären Maßnahme, den Lemgoer Lichtlein im Tor beginnen zu lassen, hatte der neue Bundestrainer großen Mut gezeigt. Der Berliner Silvio Heinevetter gilt eigentlich als Nummer Eins im deutschen Tor. Erst sieben Minuten vor Schluss durfte Heinevetter für Lichtlein ins Tor – und der Berliner hielt sofort einen Strafwurf von Kiril Lazarov. Die Mazedonier kamen mit seinem unorthodoxen Stil nicht zurecht und scheiterten plötzlich bei Tempogegenstößen. „Silvio hat die Big Points für uns gemacht“, sagte Heuberger.

Es scheint also kein Problem zu sein, dass die beiden verschieden sind wie Tag und Nacht. Heinevetter trägt sein Herz auf der Zunge. Er gibt sich auch keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen, wenn er auf der Bank Platz nehmen muss. Bei der Vorstellung des Teams hatte er regungslos dagestanden, wütend, bösen Blickes. Und nach dem Sieg, zu dem er entscheidend beigetragen hatte, war er wortlos an den Reportern vorbei gestürmt. „Natürlich war ich frustriert, weil ich nicht in der Startformation war“, sagte er später.

Heinevetter sei eben ein Individualist, sagt Andreas Thiel, der Torwarttrainer. „Es gibt halt Torhüter, die ein gewisses Maß an Egozentrik brauchen, um sich zur besten Leistung auf dem Feld zu treiben.“ Thiel ist ein Fan von Heinevetters Art zu halten. „Er macht verrückte Sachen, ist dadurch unberechenbar. Außerdem mag ich die Typen, die angreifen, schreien, aggressiv sind. Ein Torhüter muss präsent sein.“

Lichtlein hingegen ist ein Prototyp des Mannschaftsspielers. „Er ist ein absoluter Teamplayer“, sagt Thiel. So scheint es, als ergänze sich dieses gegensätzliche Duo perfekt; der Exzentriker Heinevetter, der Bewegungen macht, die in keinen Lehrbuch stehen, und der introvertierte Lichtlein, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Der laute Heinevetter, der den Torraum rockt. Und der leise Lichtlein, der Mann für die „Kleine Nachtmusik“.

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