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EM  Nebenschauplatz: Baden gehen mit Scharping in Peking

Es regnet um zwei Uhr nachts in Peking, der fußballkundige Chinese würde jetzt sagen: Dem Flitz sein Wettel. Die Straßen sind menschenleer, nur wir steigen erst in eine Pfütze und dann in ein Taxi und sagen: Deguo Dashiguan, zur Deutschen Botschaft.

Es regnet um zwei Uhr nachts in Peking, der fußballkundige Chinese würde jetzt sagen: Dem Flitz sein Wettel. Die Straßen sind menschenleer, nur wir steigen erst in eine Pfütze und dann in ein Taxi und sagen: Deguo Dashiguan, zur Deutschen Botschaft. Vor der Botschaft hat sich eine Menschenschlange gebildet. Sie ist rund 20 Meter lang, aber längst nicht so lang wie jene berühmte Warteschlange, die sich um die nächsten Straßenecken windet, wenn die Deutsche Botschaft ihren jährlichen Weihnachtsmarkt veranstaltet. Nicht jeder kommt hinein, es wird ein Restricted Viewing werden. Erst kontrolliert ein chinesischer Wachposten die Ausweise, dann hakt eine Botschaftsmitarbeiterin die Namen auf einer Liste ab, für die man sich zuvor hatte anmelden müssen. Schließlich wühlen sich die Herrschaften von der Sicherheit durch die mitgebrachten Taschen.

Vor der Eingangstür werden schwarz-rot-goldene Devotionalien mit den chinesischen Schriftzeichen „de“ und „guo“ für „Deutschland“ verteilt. Wir wählen zwei Mützen und einen Schal und verzichten auf die Schweißbänder, die sind uns zu Achtziger. Drinnen hat sich vor dem einzigen Bierstand die nächste Schlange gebildet. „Warum muss ein Chinese das Bier ausschenken?“, meckert ein Deutscher. „Glas schräg halten“ verbessert ein anderer, „jetzt den Hahn loslassen.“ Der Chinese versteht sie nicht, besser so.

Auch vier Mitarbeiter der italienischen Botschaft haben sich unter die rund 150 deutschen Fans gemischt. „Bei uns gibt es kein Public Viewing“, erklärt ein Italiener, „Schwierigkeiten bei der Organisation.“

Zum Spiel besser nicht viel, die Stimmung sinkt schnell, die Schüler der Deutschen Schule in Peking werden ruhig. „Die Deutschen sind zu brav“, kommentiert eine Chinesin. In der Halbzeit tritt Rudolf Scharping vor die Botschaftstür zum Rauchen. Der ehemalige Kanzlerkandidat und aktuelle Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer will nicht sagen, was er in Peking macht. „Ich bin einfach da“, brummt er und grinst geheimnisvoll. Ein Radrennen ist jedenfalls nicht in der Stadt. Ein deutscher Korrespondent weiß, dass der ehemalige Verteidigungsminister als Unternehmensberater arbeitet und deutsche Firmen in China berät. Hätte er auch sagen können, dann hätten wir uns vielleicht die Bemerkung verkniffen, dass es kein Wunder ist, wenn Deutschland in Anwesenheit von Scharping baden geht.

Um zwanzig vor fünf ist alles vorbei, draußen dämmert es, die Vögel zwitschern. Der Wachposten vor der Botschaft versteckt sich unter grünem Regenschutz, es gießt in Strömen. Wir setzen beide Gratis-Fan-Mützen auf, als Stirn- und Nackenschutz, der Schal hilft auch. An der Kreuzung Äußere Dongzhimen und Xindong-Straße stehen vereinzelt Menschen in weißen Trikots und warten auf freie Taxis. Es kommen keine. Irgendwann reift der Entschluss, zu Fuß nach Hause zu gehen. Ein 25-minütiger Marsch durch Regen und Pfützen. Wenn schon verlieren, dann richtig. Benedikt Voigt

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