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Sport: Ende eines Tabus

Auch der Fußball hat nun seine Doping-Diskussion

Berlin - Es war lange nur ein Verdacht, aber seit einigen Wochen ist es gerichtlich bestätigt. Auch der Fußball ist infiziert vom Doping. Ein italienisches Gericht verurteilte Riccardo Agricola, Mannschaftsarzt von Juventus Turin, zu 22 Monaten Gefängnis. Agricola habe Spielern von Juventus zwischen 1994 und 1998 Dopingmittel verabreicht, darunter das ausdauersteigernde Erythropoietin (Epo). Jetzt wird darüber diskutiert, ob die Fußballgeschichte umgeschrieben werden muss. Zwischen 1994 und 1998 hatte Juventus schließlich dreimal das Finale der Champions League erreicht, dort einmal gewonnen und war dreimal Italienischer Meister geworden.

Das Urteil hat die Fußballverbände weltweit unter Druck gesetzt, den Kampf gegen Doping zu intensivieren. Bisher hatten Verbandsfunktionäre ihre Zurückhaltung damit erklärt, dass der Einsatz verbotener Substanzen im Fußball nicht sinnvoll sei. Die Spieler gingen schließlich weder an ihre maximale Kraftgrenze noch an die Grenze ihrer Ausdauerleistung. Doch während die Profis in den Siebzigerjahren noch fünf Kilometer pro Spiel liefen, legen sie heute die doppelte Strecke zurück. Dabei könnten sie gerade mit Epo nachhelfen. Im Oktober 2004 wunderte sich daher auch Arsène Wenger, der Trainer des englischen Premier-League-Klubs FC Arsenal, öffentlich über die Blutwerte neu verpflichteter Spieler. Die Anzahl roter Blutkörperchen war besonders hoch, ein Hinweis auf Epo-Missbrauch. „Es gibt Klubs, die ihre Spieler ohne deren Wissen dopen“, sagte Wenger.

Dass Spieler in Deutschland ohne Kenntnis ihres Vereins verbotene Mittel nehmen, glaubt Roland Augustin nicht. Der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur sagt: „Das Management im Fußball ist so rigide. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler auf eigene Faust dopt, ist eigentlich ausgeschlossen. Also entweder die ganze Mannschaft oder keiner.“

Juventus Turin war nicht die erste gedopte Mannschaft. Im Kollektiv wurde schon im Fußball der DDR manipuliert. Die Spieler von Rekordmeister BFC Dynamo erhielten Amphetamine. Zu den Betroffenen gehörte auch der heutige Hertha-Trainer Falko Götz. Von den verbotener Substanzen habe er nichts gewusst, sagte Götz. Er habe sich einer Sammelklage gegen die Verantwortlichen des BFC Dynamo angeschlossen. Doping im Fußball hat auf jeden Fall Tradition. Leistungssteigernde Effekte sind von Epo zu erwarten, aber auch von aufputschenden Amphetaminen. Der französische Profi Zinedine Zidane sagte im Prozess gegen Agricola aus, bei Juventus sei er mit Kreatin behandelt worden.

Die Zahl der Kontrollen ist im Fußball bisher äußerst gering, vor allem die wirksamsten, die unangemeldeten Trainingstests sind selten. Der Fußball-Weltverband Fifa hat zwar den Internationalen Anti-Doping-Code unterzeichnet, weigert sich jedoch bislang, externe Trainingskontrollen durchzuführen. Dafür hat die Fifa ein weltweites Netz von 200 eigenen Dopingkontrolleuren aufgebaut.

Der Deutsche Fußball-Bund ließ im vergangenen Jahr 670 Proben im Wettkampf und 90 im Training nehmen, erstmals auch beim Pokalwettbewerb und in der Regionalliga. Das Ergebnis: Nur zwei Spieler erhielten Strafen. Marko Rehmer (Hertha BSC) hatte vergessen, ein kortisonhaltiges Mittel anzugeben, mit dem er eine Kieferverletzung behandelt hatte. Er wurde dafür neun Spiele gesperrt. Stürmer Ailton (Schalke 04) erhielt eine Sperre von vier Spielen für eine Rote Karte und dafür, dass er zu spät zu einer Dopingkontrolle erschienen war.

Positive Dopingfälle gab es im deutschen Fußball 2004 nicht. Das könnte daran liegen, dass nicht gedopt wurde. Oder daran, dass die Zahl der Kontrollen zu gering war. Der Dopingexperte Professor Werner Franke hat außerdem den Verdacht, dass die unangemeldeten Trainingskontrollen keine große Überraschung für die Fußballprofis sind: „Ich bin sicher, dass die Spieler vorher wissen, wann sie getestet werden.“

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