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Mit Durchblick. Silke Lippok hielt der Mehrfachbelastung zuletzt stand. Foto: dapd

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Sport: Endlich nur schwimmen

Silke Lippok konzentriert sich nach Abitur und Führerschein auf die Olympischen Spiele in London.

Berlin - Der Prüfer stand am Beckenrand des Pforzheimer Schwimmbads, Stoppuhr in der Hand, klare Ansage an die Zuhörer, ein Pardon war von ihm nicht unbedingt zu erwarten. Trotzdem, Silke Lippok empfand seine Aufgabe nicht unbedingt als menschenverachtend hart. 650 Meter schwimmen in zwölf Minuten, das sollte eine Staffel-Europameisterin, zweimalige Deutsche Meisterin über 200 Meter Freistil und Kurzbahn-Europameisterin über die gleiche Distanz eigentlich hinbekommen. Die 18-Jährige schwamm „locker“; nach rund zehn Minuten schlug sie an. Okay, damit also auch Sport, die letzte Abiturprüfung, beendet.

Das war am Dienstag. Gestern schwamm sie dann in Berlin, bei den Deutschen Meisterschaften, und verteidigte im Finale über 200 Meter Freistil in 1:57,93 Minuten ihren Titel und qualifizierte sich erstmals für die Olympischen Spiele (27. Juli bis 12. August).

Jetzt muss sie endlich „nicht mehr nachts lernen“. Silke Lippok verkündet es mit erleichtertem Stoßseufzer. Die Nachtarbeit ist der eine Punkt, vor allem aber, das ist ihrem Trainer Rudi Schulz wichtig, kann sie jetzt endlich auch mal geregelt zweimal am Tag trainieren.

Es klingt ja immer noch einigermaßen kurios: Die Frau, die den deutschen Kurzbahn-Rekord über 200 Meter Freistil hält, die bei der WM 2011 die einzige deutsche Schwimmerin war, die es bis in ein Einzel-Finale geschafft hat, die trainierte bis vor sechs Wochen nur einmal am Tag, abends, im 25-Meter-Becken der Pforzheimer Halle.

Seit sechs Wochen hatten Schulz und Lippok immerhin zweimal pro Woche noch Früh-Training in Heidelberg. Eine Sekunde, analysiert Schulz, kann sie bis zu den Olympischen Spielen in London noch schneller werden. Dann läge sie bei 1:56 Minuten, das wäre persönlicher Rekord. Bei der WM 2011 in Schanghai hatte sie noch 1:58,26 Minuten benötigt. Bei Unterwasseraufnahmen haben sie festgestellt, dass sie den Arm nicht eng genug am Körper gezogen und die Hände unter Wasser leicht geöffnet hatte. „Da verliert man schnell ein, zwei Sekunden“, sagt Schulz.

Lippok war aus der Unauffälligkeit aufgetaucht, ein neues Gesicht auf der van-Almsick-Spezialstrecke, betreut von einem Rentner, der noch Hausmeisterdienste in der Schwimmhalle leistet. Sie hatte ziemlichen Rummel, bekam einen Sponsorenvertrag mit einer örtlichen Bank und ein kostenloses Fahrzeug von einem Autohaus, sie genoss die Aufmerksamkeit. Aber es wurde auch etwas viel. „Manchmal“, sagt Schulz, „kamen wir kaum zum Ausschwimmen, weil so viele Autogrammjäger da waren.“

Seit der WM läuft wieder der normale Trott, so unauffällig, dass Abiturvorbereitung und Training ohne große Probleme parallel laufen konnten. „Ich habe die Enttäuschung von Schanghai schnell kompensiert“, sagt Silke Lippok, und Schulz meinte, „dass ich beim Training wegen der Prüfungen keine Abstriche machen musste“. Im Januar machte die Athletin auch noch den Führerschein, fast nebenbei.

In den Osterferien waren sie drei Wochen auf Zypern, 200 Kilometer spulte Silke Lippok dort ab. „In den vergangenen Wochen“, sagt Schulz, „hat sie 20 Prozent mehr gemacht als früher.“ Das lag an den Frühterminen. Und der größere Freiraum wird erst mal bewahrt. „Ein Studium“, sagt Schulz, und es klingt fast erleichtert, „wird Silke erst mal nicht beginnen.“

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