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Geübt für den Ernstfall. Vor einem Jahr besiegten Özil, Neuer, Khedira und Jerome Boateng die Engländer schon einmal: Im Finale der U-21-EM gewannen die Deutschen 4:0.

© picture alliance / dpa

England-Spiel: Vorbereitung auf den Punkt

Tagesspiegel-WM-Reporter André Görke geht dem Elfmeter-Mythos gegen England nach. Manuel Neuer hat zwar eine gute Quote, doch der deutsche Torwart setzt eher auf andere Stärken vor einem möglichen Elfmeterschießen.

Ein Elfmeter für die Ewigkeit. Und weil er so schön war, hier noch einmal die Kurzversion: Stuart Pearce läuft im Bogen an, im Stadion von Turin ist’s still, der Engländer drischt aufs Tor, Bodo Illgner springt – und bekommt den Ball vors Knie geknallt. Gehalten! Was für eine Heldentat an diesem Halbfinalabend bei der WM 1990. So war’s doch. Oder?

Dummerweise kann Manuel Neuer zu all dem gar nichts erzählen, weil er in jener Nacht im Sommer 1990 gerade in seinem Bettchen lag. Neuer war vier Jahre alt, als Illgner zum Elfmetertöter verklärt wurde, was dieser ja nie gewesen ist. Jetzt sitzt er im WM-Quartier bei Pretoria, hat blonde Haare auf dem Kopf, ist 24 und damit nur ein Jahr älter als der spätere Weltmeister Illgner damals. Das war es aber auch schon mit Gemeinsamkeiten. Mit Getöse über heroische Elfmeterschlachten kann Neuer nichts anfangen.

Am Sonntag spielt die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw in Bloemfontein gegen den alten Lieblingsrivalen um den Einzug ins Viertelfinale. Gehaltene Strafstöße gegen England kann Neuer zwar nicht bieten, auch wenn seine Quote im Elfmeterschießen nicht schlecht ist. „Da sah ich bisher immer gut aus und habe im Schnitt zwei Bälle gehalten“, schreibt er auf seiner privaten Internetseite.

Aber auch er hat schon mal gegen die Briten gespielt, gar nicht so lange ist das her. Vor einem Jahr in Schweden gewann die U-21-Auswahl im Finale der Europameisterschaft 4:0 gegen England, was einen entsetzten Aufschrei in der Branche nach sich zog. Kinder, sind die stark, sind das Deutsche?! Manuel Neuer stand im Tor, Sami Khedira und Mesut Özil agierten im Feld. „Wir hatten einen sehr guten Tag, speziell der Özil“, erinnert sich Neuer an das Finale von Malmö. Der Mittelfeldspieler, der die Deutschen bei der WM in Südafrika mit dem 1:0 gegen Ghana nach Bloemfontein schoss, erzielte damals ein Tor und bereitete zwei weitere vor. Englands U-21-Trainer hieß damals übrigens Stuart Pearce, der tragische Schütze von Turin 1990.

Manuel Neuer hat mehr Stärken als das Parieren von Elfmetern, darin ist Ersatzkeeper Tim Wiese sogar erfolgreicher. Zehn der letzten 14 Elfmeter hat der Bremer gehalten. Neuer erkämpft sich stets die Lufthoheit im Strafraum, was bei einem Stürmer wie Peter Crouch nicht unwichtig ist. Und weil Neuer den Ball weiterleiten kann und nicht nur wegprügeln, bietet sich den Deutschen eine Anspielstation, die der Mannschaft eine Überzahlsituation verschafft. „Die Mitspieler wissen, dass sie mich in brenzligen Situationen immer anspielen können“, sagte er nach dem Sieg gegen Ghana. Dass er an jenem Abend allerdings auch seine Handschuhe nicht nur wegen der Kälte trug, konnte der Schalker beweisen.

Deutschlands Nummer eins ist ein ähnlich besonnener Typ, wie es einst Andreas Köpke war, der heutige Torwarttrainer der Deutschen. Auch der könnte von einem Erlebnis erzählen, das bei der Europameisterschaft 1996 spielt und von einem gewonnenen Elfmeterschießen handelt. In England. Gegen England. Doch wie lange selbst dieser Erfolg her ist, zeigt der Blick in den Ordner mit den Geburtsurkunden der Nationalspieler: Toni Kroos etwa war damals erst sechs Jahre alt, bei Pearces Elfmeter nur wenige Monate. Auch deshalb sagt Kotrainer Flick: „Von der Geschichte können wir uns nichts kaufen.“

Löw wird das Elfmeterschießen üben, auch wenn er darauf nur geheimnisvoll sagt: „Wahrscheinlich, wir werden sehen.“ Neuer spekuliert darauf nicht. Aber er will sich „mit den richtigen Leuten vorbereiten“, sagt er. „Und dann werde ich wohl auch dieses Memoryspiel mitmachen.“ Was der 24-Jährige damit meint, dürfte bekannt sein: Die Lieblingsecken der Argentinier im Elfmeterschießen bei der WM 2006 standen auf einem Zettel im Schienbeinschoner Jens Lehmanns, der dann nur noch Pärchen bilden musste: Gesicht des Schützen erkennen, Lieblingsecke ablesen, springen.

Die Angst vorm Elfmeterschießen kann den Engländern zumindest einer nicht nehmen. Englands Assistenztrainer, denn der heißt: Stuart Pearce.

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