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Sport: Englische Sehnsucht nach Europa

Chelsea hat die Champions League im Sinn und holt Boulahrouz vom HSV

„Mister Mourinho“, fragte kürzlich ein australischer Reporter den Trainer des FC Chelsea, „sollen wir wirklich um zwei Uhr nachts aufstehen, um die Premier League zu schauen? Chelsea wird doch sowieso Meister.“ Der Australier ist nicht der Einzige mit dieser Sorge. Auch Ligachef Richard Scudamore warnt, dass es „nicht gesund ist, wenn Chelsea zehnmal hintereinander den Titel holt“. So weit ist es noch nicht. Der von nicht versiegenden Ölmilliarden aus Russland zehrende FC Chelsea setzt ja erst zum Hattrick an. Und der ab August 2007 gültige Fernsehvertrag wird märchenhafte 1,2 Milliarden Euro wert sein. Jährlich. Geld ist für Chelsea trotz eines Rekordverlustes von 205 Millionen Euro im vorigen Jahr kein Problem. Kollektiv haben die englischen Klubs 273 Millionen Euro für Transfers ausgegeben. Ein knappes Drittel davon, rund 80 Millionen, wurde allein in Westlondon für Andrej Schewtschenko, Salomon Kalou und John Obi Mikel investiert. Michael Ballack kam umsonst, verdient aber um die 10 Millionen im Jahr. Und nun holt der Klub des Oligarchen Roman Abramowitsch noch Innenverteidiger Khalid Boulahrouz vom HSV. Chelsea meldete gestern Abend die Einigung beider Klubs, ohne entsprechende Geldsummen zu nennen. Chelseas Geschäftsführer Peter Kenyon will ab 2010 schwarze Zahlen schreiben. Das könnte gelingen – wenn unter dem Rasen von Stamford Bridge eine Ölquelle entdeckt wird.

Trotz Chelseas exzessiven Geschäftsgebarens gibt es Trost für die Konkurrenz. Auf den Außenpositionen in der Viererkette ist Chelsea unterdurchschnittlich besetzt. Wunschkandidat Ashley Cole vom FC Arsenal soll für die linke Seite kommen, aber der etwa 30 Millionen Euro teure Deal ist noch nicht perfekt.

Den erwarteten Verdrängungswettbewerb zwischen Ballack und Frank Lampard wird es nicht geben. Beide sind Stammspieler im zentralen Mittelfeld. Ballack kann wegen seiner Hüftprellung am Sonntag gegen Manchester City wohl nicht spielen, obwohl er gestern am Training teilnahm. Er hat noch Schmerzen. Eine Entscheidung über seinen Einsatz soll erst heute nach dem Training fallen.

Chelsea will die Champions League gewinnen – die Sehnsucht nach dem Triumph in Europa eröffnet daheim anderen Klubs Chancen. Dem FC Liverpool zum Beispiel. Trainer Rafael Benitez hat die richtige Mischung aus iberischem Flair und englischer Hartnäckigkeit gefunden. Der Chilene Mark Gonzales wird der interessanteste Flügelstürmer der Liga werden, dazu steht mit dem Holländer Dirk Kuyt endlich ein Torjäger zur Verfügung.

Manchester United werden weniger Möglichkeiten eingeräumt. Coach Alex Ferguson hat den Kader wieder nicht entscheidend verstärken können. Michael Carrick allein löst nicht das Problem im zentralen Mittelfeld, vorn wird der geschasste Ruud van Nistelrooy fehlen. Der Kader ist nicht breit genug, zu Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney gibt es keine Alternativen. Vielleicht aber zu Ferguson. Sein 21. Jahr im Amt dürfte sein letztes sein, falls United keine Trophäe holt.

Fergusons Lieblingsfeind Arsene Wenger hat beim FC Arsenal zwar ein neues Stadion für 60 000 Zuschauer, es aber ansonsten nicht leicht. Ashley Cole und José Antonio Reyes wollen weg, Tomas Rosicky ist keine entscheidende Verstärkung. Wenger bleibt bei seiner Linie, die Jugend spielen zu lassen.

Der australische Reporter bekam übrigens eine Antwort. „Natürlich sollen Sie die englische Liga anschauen, sie ist die beste der Welt“, sagte José Mourinho. „Was ist denn die Alternative?“

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