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Lockerungsübungen vor der Entscheidung. Gestern absolvierten Herthas Profis eine öffentliche Trainingseinheit.

© dpa

Entscheidung vor dem Sportgericht: Das große Zittern

Zweite Liga oder zweite Chance? Heute entscheidet das Sportgericht über ein Wiederholungsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha. Das Urteil könnte der Beginn einer nervenaufreibenden Hängepartie sein.

Um 15 Uhr am heutigen Montag wird Hans E. Lorenz gebannte Zuhörer haben. Um 15 Uhr wird Richter Lorenz verkünden, ob das Relegations-Rückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC wiederholt werden muss. Oder ob die Berliner laut Entscheidung des Sportgerichts des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) mit Lorenz an der Spitze in die Zweite Liga müssen. Millionen Fußball-Fans, Schiedsrichter, Funktionäre, sie alle warten auf dieses Urteil. Die Entscheidung, ob Hertha BSC ein zweite Chance bekommt, weil hunderte Düsseldorfer Fans 90 Sekunden zu früh den Platz stürmten und sich Herthas Spieler, Menschenmassen in unmittelbarer Nähe, nicht mehr auf die letzten Spielminuten hätten konzentrieren können, hat zweifellos überragende Bedeutung für zukünftige Partien.

Eine klare Tendenz für ein Urteil gibt es nicht, selbst wenn diverse Experten Hertha wenig Chancen einräumen. Auch Anton Nachreiner bekommt in diesem Zusammenhang keine besondere Bedeutung. Nachreiner ist Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses, er hatte in der Verhandlung plädiert, die Berliner sollten ihren Einspruch gegen die Spielwertung (2:2) zurücknehmen. Das sorgte für Aufsehen. Doch seine Funktion allein hebt seine Argumente damit nicht auf eine besondere Ebene. Dafür sind Lorenz und seine beisitzenden Richter viel zu erfahren. Sie wägen alle Argumente ab.

Ein Ende des juristischen Streits ist heute allerdings kaum zu erwarten. Da gibt’s schließlich noch das DFB-Bundesgericht und das Ständige Schiedsgericht des DFB als zweite und dritte Instanz. Spannend ist die Frage: Wie lange zieht sich der Streit hin, wenn alle Instanzen ausgeschöpft werden? Schließlich beginnt am 8. Juni die EM und am 3. August die Zweitliga-Saison. Wenn alle Parteien einverstanden sind, können die Fristen verkürzt werden, die DFB-Statuten geben das her. Und weder Hertha noch Düsseldorf werden das Verfahren ohne Not auch nur um eine Minute hinauszögern.

Aber was heißt schon schnell? Der Sportjurist Michael Lehner, der schon unzählige Sportgerichts-Verfahren durchgezogen hat, glaubt nicht, „dass bis Ende der Woche eine endgültige Entscheidung gefallen ist“, sofern alle Instanzen eingeschaltet werden. Gut, „das Bundesgericht wird schnell entscheiden“. Aber beim Schiedsgericht „wird es länger dauern“. Das zeige die Erfahrung. Er hatte schon Verfahren, die Monate gedauert hatten. „Es ist durchaus möglich, dass sich das Ganze bis nahe an den Saisonstart zieht“, sagt er. Die Richter des Schiedsgerichts arbeiteten sich akribisch in die Materie ein. Denn sie haben mit der DFB-Verbandsgerichtsbarkeit nichts zu tun.

Sollte es zu einem Wiederholungsspiel kommen, „steht Roman Hubnik auf Abruf bereit“, teilte Hertha BSC gestern mit. Der Verteidiger ist derzeit bei der tschechischen Nationalmannschaft. Aber auch hier spielt der Zeitfaktor eine Rolle. Noch muss Hubnik von seinem Nationalverband abgestellt werden, die Frist zur Abstellungpflicht endet am 25. Mai. Danach entscheidet Tschechiens Nationaltrainer, ob er Hubnik Hertha überlässt und das Risiko einer Verletzung eingeht.

Zeitnah, davon kann man ausgehen, wird aber über Lewan Kobiaschwili, Christian Lell, Andre Mijatovic und Thomas Kraft in gesonderten Verfahren entschieden. Den Hertha-Profis werden verbale und körperliche Attacken auf Schiedsrichter Stark vorgeworfen. Damit wäre zeitnah klar, ob sie für ein Wiederholungsspiel gesperrt wären. Im Fall Kobiaschwili ist das allerdings jetzt schon klar: Er hatte beim Skandal-Spiel seine fünfte Gelbe Karte gesehen, er wäre auf jeden Fall gesperrt.

Stark hatte einen Hertha-Spieler noch im Düsseldorfer Stadion wegen Körperverletzung angezeigt, es soll sich dabei um Kobiaschwili handeln. „Keine souveräne Entscheidung von Stark“, findet Lehner. „So einen Vorfall muss man doch innerhalb der DFB-Verbandsgerichtsbarkeit abhandeln.“ Durch die Anzeige „hat er seine Unabhängigkeit infrage gestellt“. Er, Lehner, würde ihn als Mitglied des Sportgerichts „nicht mehr als neutralen Zeugen betrachten. Hinter seiner Aussage würde ich Fragezeichen machen.“

Keinen Zweifel hat er dagegen an den Folgen, die eine wochenlange Hängepartie in Sachen Wiederholungsspiel hätte. „Dann gibt’s ein Chaos.“

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