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New York steht zwar nicht mehr unter Wasser, die Schäden durch den Hurrikan „Sandy“ sind in der Stadt aber noch lange nicht behoben. Für den Marathon konnten sich deswegen nur die wenigsten New Yorker begeistern.

© dapd

Enttäuschung, Trauer, Verständnis: Gemischte Gefühle nach Marathon-Absage in New York

Zehntausende Läufer sind zum New York Marathon angereist und dürfen nun nicht starten. Die Schäden, die der Wirbelsturm "Sandy" in der Stadt hinterlassen hat, sind zu groß.

Am Freitagnachmittag, nur zwei Tage nach Bekanntmachung, der Marathon würde stattfinden, lenkte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg dann doch ein. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Veranstalter sagte Bloomberg, sie „wollten nicht, dass eine Wolke über dem Lauf und dessen Teilnehmern hänge“. Damit reagierte er auf die wachsende Kritik nach Bekanntgabe, das Rennen würde nur wenige Tage nach der Verwüstung der Stadt durch Hurrikan „Sandy“ am Sonntag stattfinden. Kritiker hatten Bloomberg und den Organisatoren vor allem vorgeworfen, für den Wiederaufbau nötige Ressourcen für die Veranstaltung zu nutzen. „Wir können keine Kontroverse zulassen“, hieß es in dem Statement. „Besonders nicht bei einem derart wichtigen Event, welches die Aufmerksamkeit ablenkt von den entscheidenden Aufräumarbeiten, die unserer Stadt wieder zur Normalität verhelfen.“

Mary Wittenberg, Vorsitzende des Veranstalters New York Road Runners (NYRR), sagte, ein Faktor bei der Entscheidung, das diesjährige Rennen letztlich doch abzusagen, sei die zunehmende Abneigung den Läufern gegenüber. „Wir machten uns verstärkt Sorgen, dass kein Läufer, der Weltbeste oder jemand, der es bis ins Ziel schaffen möchte, die Anerkennung erhalten würde, die man sich wünschte“, sagte sie. „Es tut uns sehr leid für die Läufer, die aus der ganzen Welt angereist sind“, so Wittenberg. „Wir hoffen auf ihre Geduld und ihr Verständnis.“

Die Nachricht verbreitete sich schnell und sorgte für unterschiedliche Reaktionen bei den Läufern.

Raffaella Romazzotti, 34, aus Mailand, stieg nach dem neunstündigen Flug gerade aus dem Flugzeug, da erhielt sie eine Kurzmitteilung mit der Information, der Marathon sei abgesagt. „Ich bin sehr böse“, sagt die Buchhalterin, die 2500 Dollar für die Reise ausgegeben hat und für die es der erste Marathon gewesen wäre. „Wenn Bloomberg absagen möchte, warum hat er das dann nicht schon vorher getan?“, fragt sie. „Ich verstehe, dass ,Sandy’ ein großes Problem für die Stadt ist, aber warum kommt die Entscheidung erst jetzt?“

„Es ist ein Schock“, sagt Joel Caballero, 37, aus Mexiko City, der am frühen Freitagabend in ein Hotel in Midtown Manhattan eincheckte. Er und seine Frau haben ungefähr 7000 Dollar für die Reise ausgegeben. „Ich kann es nicht glauben. Ich bin sauer, traurig, enttäuscht. Ich möchte weinen“, sagt er.

"Es ist deprimierend, denn du steckst so viel rein"

Fünf Monate trainierte Jon Kerwin, 26, aus Brooklyn, auf den Marathon in New York. Er verfolgte monatelang einen Trainings- und Ernährungsplan als Vorbereitung auf den Lauf und sammelte 3000 Dollar für Hilfsorganisationen. „Es ist deprimierend, denn du steckst so viel rein“, so Kerwin. Nun folgt er dem Aufruf vieler Kritiker, lieber beim Wiederaufbau mitzuhelfen. „Es wäre eine Verschwendung, wenn ich zu Hause sitzen bleiben würde“, sagt er.

Brad Benson, 30, aus Brooklyn, hatte sich die vergangenen Tage rechtfertigen müssen für seine Teilnahme am Rennen. Die plötzliche Absage des Marathons verärgert ihn nun: „Ich fühle mich, als ob ich die Rolle eines Cheerleaders der Stadt angenommen habe.“

Viele Läufer hatten gehofft, durch ihre Mitwirkung Teil eines seltenen Moments zu werden, in dem Geschichte und Wettkampf zusammenlaufen und einen Lauf zu mehr machen als nur einem Lauf. So wie im Jahr 2001, als nur wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September Feuerwehrmänner in ihrer Uniform mitliefen, unter lauten Anfeuerungsrufen der New Yorker.

Bei den professionellen Läufern machte sich beim Erreichen der Nachricht eine Mischung aus Enttäuschung und Verständnis breit. Der viermalige US-Olympiateilnehmer und aus Somalia stammende Abdi Abdirahman, plante 10 Dollar pro Meile an eine Hilfsorganisation zur Unterstützung nach dem Hurrikan zu spenden. Seine Sponsoren, Freunde und Bekannte wollte er um dasselbe bitten. „Ich verstehe die Absage, und dennoch verstehe ich sie nicht. Ich denke, dieses Rennen hätte Spannung und ein bisschen Normalität zurück in die Stadt gebracht", sagte er.

Der Australier und viermalige Sieger des New York Marathons in der Rollstuhlkategorie, Kurt Fearnley, gönnte sich nach der Bekanntmachung am Freitagnachmittag erstmal ein Bier. „Natürlich verstehe ich die Entscheidung“, sagte er. Besonders mit den Freizeitläufern habe er jedoch Mitleid. „Ich mache dieses Rennen nun acht Jahre. Dies ist das einzige Rennen weltweit, bei dem 50 000 Menschen denken, sie seien besonders.“

Auch angereiste Fans des Marathons zeigten ihre Enttäuschung und ihr Verständnis. Niklas Rudfell, ein Fotograf aus Schweden, der am Donnerstag in New York eingetroffen war, sagte, er habe seine Reise 18 Monate vorher gebucht, da schwedische Reiseanbieter nur begrenzte Reise- und Hotelpakete anboten. Vor seiner Abreise in Schweden sei er bereits von einer Absage des Marathons ausgegangen.

Joel Hegardt, 50, aus Göteborg, Schweden, der bereits mehr als 5000 Dollar für seine Reise nach New York ausgegeben hat, plant mit Freunden, einen inoffiziellen Lauf zu veranstalten, bei dem jeder Teilnehmer 100 Dollar für den Wiederaufbau spendet. „Wir haben bereits so viel Geld ausgegeben, um hier zu sein“, sagt er. „Wir können noch ein wenig mehr Geld ausgeben, um den Menschen zu helfen, die derzeit leiden.“

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