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Ton angeben, Punkt machen. Touzinsky besetzt die Führungsrolle. Foto: Harald Ottke

© Harald Ottke

Sport: Er hat noch ein Konto in Berlin

Scott Touzinsky ist wieder bei den Volleys, weil er einen Job vollenden muss.

Berlin - Scott Touzinsky hat eine blaue Wollmütze auf seinen Kopf gezogen, aber darüber liegt noch die Kapuze seines Pullis, es ist schließlich kalt auf dem Weg zum Horst-Korber-Zentrum. In der Cafeteria schält er sich dann aus seiner Jacke und verkündet, die Mütze noch auf dem Kopf: „Es ist wie eine Rückkehr in die Heimat.“ Das Korber-Zentrum, die Trainingshalle, der Trainer Mark Lebedew, viele Spieler, die Atmosphäre – Touzinsky registriert es, als würde er nach einem längeren Auslandstrip wieder in den gewohnten Alltag zurückkehren. Der 29-Jährige hatte nicht einmal sein Bankkonto gelöscht, bevor er ging, damals, im Sommer 2011. Bevor er gehen musste, nach dem Satz von Kaweh Niroomand, Manager des Volleyball-Bundesligisten SC Charlottenburg: „Sorry, aber du warst nicht gut genug.“

Im Dezember meldete sich Niroomand wieder, diesmal mit dem Satz: „Willst du zurück kommen?“ Scott Touzinsky, Außenangreifer, Olympiasieger 2008 mit den USA, kam. Seit rund vier Wochen spielt er wieder für die Berliner. Dazwischen lagen diverse Spiele für einen Klub in Puerto Rico, dazwischen lag die Umbenennung des SCC in BR Volleys, dazwischen lag aber vor allem das drängende Gefühl von Touzinsky: „Ich habe meinen Job in Berlin nicht zu Ende gebracht.“

Dieser Gedanke ist die treibende Kraft im sportlichen Leben des tiefreligiösen Mannes aus St. Louis, Missouri. Niroomand hatte ihn 2010 geholt, weil Touzinsky ein Leader-Typ ist. Einer, der dieses typische US-amerikanische Selbstbewusstsein verkörpert, der Respekt ausstrahlt und zugleich Optimismus verbreitet. Diese Aufgabe erfüllte er auch. Aber er sollte auch der Mann sein, der in wichtigen Spielen die wichtigen Punkte macht. Das erledigte er weniger gut.

Und deshalb hat er noch eine Rechnung offen, weniger mit dem Klub, mehr mit sich. Das ist ein wesentlicher Grund für seine Rückkehr. „Ich war richtig sauer auf mich, weil ich nicht optimal gespielt habe“, sagt er. Gut, sagt er, viel habe damals mit seinen Schulterproblemen zusammengehangen, aber das ändere ja nichts am Gesamteindruck. Er hatte nicht geliefert. „Ich sehe mein Rückkehr als Möglichkeit, meinen Job zu vollenden.“

Zwei Spiele hat er bisher bestritten, beide Male zeigte er, dass er eine Verstärkung ist. Am Sonntag treffen die BR Volleys auf Tabellenführer Haching; für solche Herausforderungen haben sie ihn geholt. „Er hat der Mannschaft Stabilität gegeben“, sagt Mark Lebedew, der Trainer. „Das zeigt sich auch im Training.“ Die Mannschaft wirkt noch instabil, sie braucht jemanden, der Ruhe reinbringt. Touzinsky kann das, er hat auch die Annahme stabilisiert, damit können mehr schnelle Angriffe über die Mitte eingeleitet werden, damit wird Diagonalangreifer Paul Carroll entlastet. Touzinsky sieht sich „als Kapitän ohne die Kapitänsbinde“, er gibt den Leader, der Lebedews Anweisungen auf dem Feld maßgeblich umsetzt. Am Donnerstag raunzte er im Training Zuspieler Kawika Shoji an. Und? „Er hat nicht zurückgemault, er hat angenommen, was ich gesagt habe.“

Dieses nagende Gefühl, einen Job noch erledigen zu müssen, das hat viel mit Berlin zu tun. Er mag diese Stadt, er mag diesen professionell organisierten Verein, er hat „viel Spaß mit den Teamkollegen“, er mag die Fans, die Atmosphäre im Klub, in der Schmeling-Halle. Als sich Niroomand meldete, sagt Touzinsky, „stand ich in Kontakt mit Vereinen aus der Türkei und Russland. Dort hätte ich mehr verdient, aber ich wollte nach Berlin.“ Dass er unverändert ein Bankkonto in der Stadt hatte, das hatte nichts mit Logik zu tun; er konnte ja nicht ahnen, dass Niroomand anrufen würde. Es hatte mehr mit diesem Gefühl zu tun, mit Berlin noch auf besondere Weise verbunden zu sein.

Touzinskys Vertrag läuft bis Saisonende, ob er verlängert wird, „hängt von seinen Leistungen ab“, sagt Niroomand. Und Touzinsky? Der sagt: „Ich möchte sehr gerne bleiben.“ Er zählt viele Gründe auf, einer davon hat mit seinem Sohn zu tun. „Ich fände es toll, wenn er mal fließend Deutsch sprechen würde.“ Sein Sohn ist 16 Monate alt. Scott Touzinsky will verdammt gerne bleiben.

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