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Sport: Er ist ein anderer

Michael Ballack will die WM aus den Köpfen verdrängen und könnte in der Nationalelf bald wieder offensiver spielen

London hat Michael Ballack verändert. Er trägt das Haar raspelkurz, lacht viel und erzählt noch mehr, gern auch von seinen Flughafenbekanntschaften. Am Dienstag, als er in London auf seinen Abflug nach Stuttgart zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft wartete, hätten ihn jede Menge Passanten angesprochen, „und alle haben sie mich beglückwünscht zu dieser fantastischen Weltmeisterschaft“. Ballack lacht. Ja, die WM sei sehr schön gewesen, aber dass er auch jetzt noch darauf angesprochen werde, damit habe er nun wirklich nicht mehr gerechnet. „Es sind ja schon ein paar Wochen vergangen seit der WM.“ Langsam werde es Zeit, dass das stimmungsvolle Sommerfest aus den Köpfen verschwindet, und zwar nicht nur aus denen der Fans.

Michael Ballack hat nach seinem Wechsel vom FC Bayern zum FC Chelsea Abstand gewonnen. Den wünscht er sich auch für die Kollegen Nationalspieler. „Die WM war ein Geschenk, wir hatten zwei Jahre Zeit, uns vorzubereiten“ – ohne den Druck der Qualifikationsspiele, meint Ballack damit. Jetzt müsse sich „jeder von uns neu motivieren und neu orientieren“, schon am Samstag in Stuttgart, im ersten Spiel der Qualifikation zur Europameisterschaft gegen Irland (20.45 Uhr, live in der ARD). Damit es auch der letzte versteht, fügt Ballack noch an: „Wir müssen sehen, dass wir jetzt von der Wolke, auf der einige noch schweben, wieder runterkommen.“

Vor einem Jahr fiel die deutsche Mannschaft nach den begeisternden Spielen beim Confed-Cup in ein Tief. Und jetzt? „Ich weiß, was uns erwartet“, sagt Ballack, „aber was ist mit den jungen Spielern, die noch keine Qualifikation gespielt haben?“ Die Mannschaft wird schließlich auch Auswärtsspiele bestreiten, beispielsweise in Irland und in der Slowakei, „wo man eigentlich nichts gewinnen kann“, sagt Ballack. Das Team habe während der WM eine tolle Entwicklung genommen, aber es müsse sich jetzt auf dem Platz neu beweisen.

Michael Ballack hat ein Gespür dafür entwickelt, wann es angebracht ist, etwas laut zu sagen oder anzumahnen. So war es zuletzt während der WM-Vorbereitungsphase im Mai, als er ein größeres Augenmerk auf das defensive Gesamtverhalten der Mannschaft auf dem Spielfeld forderte. Er selbst wollte, nein: musste mit bestem Beispiel vorangehen. Ballack änderte seinen Spielstil, um der Mannschaft ein höheres Maß an Kompaktheit zu geben. Bis dahin hatte es unter dem damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann im Defensivverhalten nicht so recht funktioniert, was sich bei allerlei Gegentoren bemerkbar machte. Im WM- Turnier klappte es mit einem defensiver eingestellten Ballack sehr viel besser. Allerdings hatte dieser Zugewinn an Stabilität auch ein sehr individuelles Opfer gefordert. Denn Michael Ballack, der vielleicht weltweit torgefährlichste Mittelfeldspieler, erzielte kein einziges Tor bei der WM.

Jetzt heißt der Bundestrainer Joachim Löw, und der hat schon mal angekündigt, dass er wieder verstärkt auf Ballacks offensive Gaben setzen will. Fraglich ist, ob das schon gegen Irland und kommenden Mittwoch in San Marino der Fall sein wird. Immerhin fällt die komplette Innenverteidigung aus. „Das bedeutet, dass das Mittelfeld, also der Torsten Frings und ich, helfen müssen“, sagt Ballack. „Aber ich freue mich auf die Herausforderung, mit dieser Mannschaft in die EM-Qualifikation zu gehen.“

Der Sommerspaß wird am Sonnabend ein endgültiges Ende finden. Auf dem Weg zurück zu den Mühen des Tagesgeschäfts wird Michael Ballack eine zentrale Rolle spielen. Mit dem Rückzug Klinsmanns und dem Abdanken Oliver Kahns hat das Team der WM zwei markante Persönlichkeiten verloren. Es wird in erster Linie an Ballack liegen, dieses Vakuum auszufüllen.

Spieler wie Jens Lehmann oder Miroslav Klose werden ihre Zeit brauchen. Beide hatten vor zwei Wochen während des Testspiels gegen Schweden die Abwesenheit Ballacks genutzt, um sich in Position zu bringen. Lehmann und Klose waren die Wortführer im Streit um die freie Wahl des Schuhwerks, der gestern nach einigen Verhandlungen gelöst wurde. Mit Michael Ballack.

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