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Sport: Erfolg im Miteinander

Alte Rivalitäten im deutschen Frauenfußball ruhen – für eine erfolgreiche EM

Berlin - Vor einer Woche bekam Silvia Neid mal wieder ein anschauliches Beispiel für ihre These von den beiden Parallelwelten in der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Die designierte Chefin der DFB-Auswahl vertrat die noch amtierende Bundestrainerin Tina Theune-Meyer, die beim 50. Geburtstag ihrer Schwester war. Neid amtierte also beim DFB-Pokalfinale zwischen dem 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam in Berlin. Und sie erlebte dabei Altbekanntes: Junge Potsdamerinnen, die über den Rasen jagten, als ginge es um ihr Leben, und die dabei mit ihrer Lauf- und Einsatzfreude die älteren und berühmteren Gegnerinnen fast permanent unter Druck hielten. Frankfurts Spielmacherin Renate Lingor beschwerte sich hinterher leicht beleidigt über die angeblich so aggressive Spielweise der Turbine-Frauen.

Umso mehr werden sich Renate Lingor und ihre Frankfurter Mitspielerinnen freuen, dass heute (19 Uhr, live in Eurosport) zum Auftakt der Europameisterschaft in Warrington Norwegen der Gegner ist. Den Skandinavierinnen wird nachgesagt, dass sie, unter Verzicht auf allzu großen körperlichen Einsatz, das spielerische Element bevorzugen. „Die liegen uns“, sagt deshalb auch Tina Theune-Meyer. Eine deutlich schärfere Gangart ist dagegen von den weiteren Gruppen-Gegnern Italien und Frankreich zu erwarten. „Beide spielen sehr hart“, warnt die Bundestrainerin. „Und beide stehen sehr gut in der Defensive.“

Zumindest die Finalteilnahme ist für den fünffachen Europameister und Titelverteidiger Pflicht, trotz aller widerborstigen Gegnerinnen. „Wir sind Europa- und Weltmeister. Welches Ziel sollen wir da denn sonst ausgeben?", sagt Silvia Neid lächelnd, schränkt aber angesichts des weltweit langsam stärker werdenden Frauenfußballs vorsichtshalber ein: „Die Zeiten, in denen es einfach war, Welt- oder Europameister zu werden, sind vorbei.“ Die Frauen, die diese sorglosen Zeiten noch erlebt haben, kommen im deutschen Team überwiegend – aus Frankfurt.

Steffi Jones, Pia Wunderlich, Renate Lingor, Kerstin Garefrekes, Birgit Prinz – alle fünf FFC-Spielerinnen im EM-Kader standen schon im WM-Finale 2003 gegen Schweden in der Startelf. Unter den acht Potsdamerinnen dagegen ist Verteidigerin Ariane Hingst (25) die Einzige in dieser Reihe. Die EM-Teilnehmerinnen aus Frankfurt sind im Schnitt 29 Jahre alt, die von Turbine 24. Silvia Neid beschreibt die Situation so: „Die Potsdamerinnen sind jung und hungrig, die Frankfurterinnen solide, erfahren und älter.“

Emotional betrachtet kommen die beiden führenden Vereine im deutschen Frauenfußball ein wenig wie der FC Bayern und Schalke 04 bei den Männern daher: Frankfurt mit den etablierten Stars in seinen Reihen und mit der Commerzbank als neuem Sponsor. Und daneben das erdige Potsdam mit dem bissigen Nachwuchs, das auf seine Jugendarbeit setzt. Und auf die Trainer-Legende Bernd Schröder. Der frühere DDR-Coach führt bei Turbine seit 35 Jahren die Frauen-Mannschaft. Die Vereinsspitzen der beiden Klubs sind oft recht biestig zueinander, und von dieser Stimmung lässt sich auch mal die eine oder andere Spielerin anstecken.

In der Nationalelf herrscht aber offenbar Ruhe. „Die Konkurrenz zwischen den Klubs setzt sich bei uns nicht fort“, behauptet Neid und erklärt: „Das geht ja auch nicht anders.“ Immerhin spielen sie dort mit- und nicht gegeneinander. Wobei die bewährten Fachkräfte sportlich immer noch den Ton angeben. „Der Nachwuchs hat das Niveau der etablierten Nationalspielerinnen zwar erreicht, trotzdem waren die älteren den jüngeren in den letzten Testspielen noch immer überlegen“, sagt Neid.

Eine aber, um die sich sonst alles dreht, macht derzeit Kummer. Birgit Prinz, zweimalige Weltfußballerin des Jahres, quält sich mit einer Verletzung am Oberschenkel herum. „Ich mache gute Fortschritte, aber unsere Planung ist auf das zweite Spiel am Donnerstag gegen Italien ausgerichtet“, sagt Birgit Prinz. „Sie spielt nur, wenn sie absolut fit ist“, ergänzt Tina Theune-Meyer.

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