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Clodoaldo Silva entzündet das paralympische Feuer.

© dpa

Eröffnungsfeier der Paralympics: Tänze, Pfiffe und eine russische Flagge

Eine Fackelträgerin rappelt sich wieder auf, Temer wird schon wieder ausgebuht und Weißrusslands Protest ging in den Tänzen fast unter. Die Spiele sind eröffnet.

Von Ronja Ringelstein

Plötzlich wurden die etwa 60.000 Menschen bei der Eröffnungsfeier der Paralympics im Maracana Stadion in Rio de Janeiro ganz still. Es war wie ein kollektives Luftholen, als der gehbehinderten Athletin Marcia Malsar erst die paralympische Fackel aus der Hand auf den Boden fiel und sie dann selbst stürzte. Malsar hatte als zweite den Fackellauf gemacht, unter strömendem Regen. Sofort kamen zwei Helfer und zogen sie wieder auf die Beine. Und Malsar beendete ihren Lauf – unter Standing Ovations des Publikums. Es war der wohl erstaunlichste Moment der Eröffnungsfeier, die insgesamt hoch emotional war: Die Cariocas, wie Rios Einwohner genannt werden, auf den Zuschauerrängen haben gewütet, gelacht und getanzt während des fast vierstündigen Spektakels.

Um kurz nach neun am Abend Ortszeit hat Brasiliens Präsident Michel Temer die Spiele eröffnet, doch er war kaum zu verstehen, unter den Buh-Rufen und Pfiffen. So wie es schon bei der olympischen Eröffnungsfeier im August war. „Fora Temer“ riefen die Cariocas: „Temer raus.“ Schnell setzte er sich wieder auf seinen Platz.

Es schien, als hätten die Menschen in dem Stadion eine Pause eingefordert: eine Pause von Politik, eine Pause von schlechten Nachrichten. Sie wollten jetzt ihre paralympische Sache feiern, die in der Bevölkerung Brasiliens eine breite Zustimmung findet.

Es könnten die Paralympics der Rekorde werden

IPC-Präsident Philip Craven versprach unter tosendem Jubel: „Wir werden die wahre Bedeutung des Sports erkennen. Wir sind alle ein Teil dieser Welt. Die Cariocas wissen, was die Spiele für die Inklusion bedeuten.“ Die Eröffnungszeremonie stand unter dem Motto „Jeder Körper hat ein Herz“, um das Menschsein in den Fokus zu rücken, und was den Menschen ausmacht: Gefühle, Schwierigkeiten, Solidarität und Liebe. Nachdem alle Mannschaften in das Stadion eingezogen waren, begann in der Mitte der Arena ein riesiges anatomisches Herz in roten Farben zu pulsieren. Es folgten Feuerwerk, Tänze und lichtgewaltige Paraden. Die unterschenkelamputierte Snowboarderin Amy Purdy tanzte wie eine Ballerina – erst gegen und dann mit einem übermenschengroßen Roboterarm.

Die Spiele, die bis zum 18. September dauern, könnten Paralympics der Rekorde werden. Nicht nur sportlich. Es sind die größten Paralympischen Sommerspiele mit 4350 Athleten aus über 160 Ländern, mit 528 Medaillenentscheidungen in 23 Sportarten. Das deutsche Team mit 155 Athleten wurde als eines der ersten von Weitsprung-Goldfavorit Markus Rehm ins Stadion geführt. Die erste deutsche Goldchance haben die Judoka-Zwillinge Ramona und Carmen Brussig an diesem Donnerstag.

Weißrussland sorgte mit einer russischen Flagge für Aufregung

Die ausgelassene Stimmung im Stadion vertrieb die anfänglichen großen Sorgen vor der Eröffnung endgültig. Man hatte leere Zuschauertribünen bei den Wettkämpfen befürchtet. Zudem mussten die Organisatoren der Paralympics zugeben, dass ihnen umgerechnet rund 55 Millionen Euro fehlten. Zeitweise war sogar unklar, ob alle Teams anreisen können - wegen der fehlenden Zuschüsse.

Doch diese Schwierigkeiten sind inzwischen behoben: Alle Teams können an den Start, die Zuschüsse wurden aus Bundesmitteln gezahlt und es sind bereits 1,5 Millionen der 2,4 Millionen Tickets verkauft. Auch das volle Stadion bei der Eröffnung lässt die Organisatoren auf volle Ränge bei den Wettkämpfen hoffen.

Für eine weitere kurze Aufregung sorgte noch das weißrussische Team, das eine Russland-Flagge beim Einlauf ins Stadion trug. Es war wohl ein Protest gegen den vom Internationalen Paralympischen Komitee IPC beschlossenen Komplett-Ausschluss Russlands wegen des Vorwurfs staatlichen Dopings. Die Fahne wurde eingezogen, der Vorfall fiel in den Jubelrufen nicht weiter auf. Auch darüber gingen die Cariocas mit ihrem Getöse hinweg – sie machten sich warm für die sportlichen Wettkämpfe, die ab heute ganz im Mittelpunkt stehen sollen.

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