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Sport: Erst Pfiffe, dann Applaus

Japan gewinnt in China den Asien-Cup

Peking - Am Sonntag konnte Arie Haan nicht mehr auf die Straße. Es war schon schwer, überhaupt durch die Lobby des Luxushotels in Peking zu kommen, in dem der Fußball-Trainer derzeit wohnt. „Entweder, du musst ein Autogramm schreiben, oder sie nehmen dich für ein Foto in den Arm“, sagte er. Aber es gab ja auch etwas zu feiern. Haans Team, die chinesische Nationalmannschaft, hat beim Asien-Cup den zweiten Platz belegt. Allerdings freute sich Haan nicht besonders. Der Holländer ist überzeugt, dass der Schiedsrichter Chinas Finalgegner Japan bei dessen 3:1-Sieg klar bevorteilt hatte. Aus Wut über den Referee hatte der zweimalige Vizeweltmeister die Siegerehrung boykottiert.

Haan handelte sich dafür einen Rüffel von Peter Velappan ein, dem Generalsekretär des Asiatischen Fußball Verbandes (AFC). „Haan sollte mehr Sportsmann sein und akzeptieren, dass seine Mannschaft gegen eine bessere japanische Elf verloren hat.“ Genau genommen haben sowohl Haan als auch Velappan recht – und niemand muss sich entschuldigen. Denn der erste Asien-Cup, vergleichbar etwa der Europameisterschaft in Portugal, ruft bei einer kritischen Analyse durchaus unterschiedliche Meinungen hervor. Umstritten war nicht nur das Tor zum 2:1, bei dem der Japaner Koji Nakata den Ball im Stil eines Volleyballers über die Torlinie baggerte. Es waren die vielen kleinen Fouls, die toleriert wurden. Dabei hätte Haan vom Schiedsrichter etwas mehr Schutz für seine Spieler erwartet. Denn auf diesem Gebiet waren seine Akteure den erfahrenen Profis der J-League weit unterlegen.

Andererseits hätte es für den asiatischen Verband keinen besseren Gewinner geben können. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen (davon über 250 Millionen allein in China) sahen das Finale vor dem Fernseher – ein neuer kontinentaler Rekord für ein Sportereignis. Und als die Japaner mit dem silbernen Pokal ihre Ehrenrunde im Workerstadion liefen, konnten sie den sparsamen Beifall wenigstens ein bisschen als Ausgleich für die vielen Pfiffe und Buhrufe der vergangenen drei Wochen empfinden. Besonders in den Gruppenspielen hatte das chinesische Publikum seine Abneigung gegen die Japaner gezeigt. Hintergrund sind alte Feindschaften seit dem Krieg vor 60 Jahren. Trotz mehrfacher Appelle der chinesischen Organisatoren pfiffen deren Landsleute während Japans Nationalhymne so laut, dass nur Klangfetzen zu hören waren.

Diese sportdiplomatischen Verwicklungen können nun in aller Ruhe aufgearbeitet werden – ohne große Schlagzeilen. Die Erkenntnisse aus der Tatsache, dass Asienmeister Japan seinen Titel mit einer halben Reservemannschaft verteidigt hatte, helfen allerdings auch den Verlierern. Damit ist erkennbar, dass noch viel getan werden muss in China.

Arie Haan wurden nach dem zweiten Platz weitere finanzielle Mittel zugesagt, die bis dato vor allem fürs Olympia-Team und die prestigeträchtigen Kicker-Frauen vorgesehen waren. Nachdem nun Japans Team den asiatischen Erdteil beim Konföderationencup 2005 vertritt, muss sich der chinesische Verband um internationale Vergleiche bemühen und auch seine nationale Liga weiter für Ausländer öffnen. Derzeit arbeiten dort ausschließlich einheimische Fußball-Lehrer.

Martin Hägele

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